Chancen für Unternehmen und Hemmnisse
Deutschland und Bayern gelten für den Großteil der im Gesundheitswesen tätigen Unternehmen als attraktive Standorte. Ein großer Binnenmarkt, hoher technischer Standard und Automatisierungsgrad, der hohe Ausbildungsstandard, v. a. in technischen Berufen, und die Vielzahl von Förderprogrammen zählen zu den Stärken.
Hemmnisse für den Einsatz neuer Technologien und Verfahren ergeben sich unter anderem aus der zu geringen Verfügbarkeit von Daten, unter anderem wegen Datenschutzbedenken. Auch die Erstattungsfähigkeit kann sich als entscheidende Hürde erweisen, weil etwa bei den derzeitigen Verfahren zur Nutzenbewertung mittel- und langfristige Erfolge von Innovationen nicht adäquat erfasst werden.
Potenziale

Für Unternehmen leiten sich Geschäftschancen zum Großteil aus der zukünftigen Umsatzentwicklung des entsprechenden Teilbereichs der Gesundheitswirtschaft ab. Die zugehörigen Prognosen geben einen ersten Hinweis darauf, wo mit einem zukünftigen Umsatzzuwachs gerechnet werden kann, sind allerdings mit Unsicherheiten behaftet.
In der industriellen Gesundheitswirtschaft sind zahlreiche Unternehmen in Forschungskooperationen und Netzwerke eingebunden. Darüber hinaus finden sie überwiegend günstige Standortfaktoren vor. Zusammen mit den oben dargestellten technologischen Trends eröffnet sich für die industrielle Gesundheitswirtschaft ein großes Potenzial. Vor allem der Bereich der digitalen Gesundheitswirtschaft gewinnt zunehmend an Relevanz. So stellen Ambient Assisted Living und technische Assistenzsysteme einen wachsenden Absatzmarkt dar.
In den Bereichen Biotech und Pharma sowie der Nanotechnologie liegen die Potenziale in erster Linie in der stratifizierten und personalisierten Medizin. Innovative Arzneimittel mit einer höheren Wirksamkeit, einer optimierten Dosierung sowie zielgenauem Wirkstofftransport versprechen neue Marktchancen. Gleiches gilt für die Digitalisierung. Potenzial liegt hier vor allem in der Nutzung gesundheitsbezogener Daten z. B. zur Vorhersage von Arzneimittelunverträglichkeiten. Hier profitieren Unternehmen, die über Expertise im Bereich Pharma und im Data Mining verfügen und so den etablierten Pharmaunternehmen den Markt streitig machen können. Erfolgreich ist hier unter anderem das Unternehmen Definiens, weil es diese verknüpfte Expertise in die Entwicklung von Biomarkern einbringen kann.
Für die Medizintechnik ergeben sich wirtschaftliche Chancen vor allem in Bezug auf die fortschreitende Alterung der Gesellschaft. Hier spielt die bereits erwähnte Robotik eine wichtige Rolle. Aber auch an den Schnittstellen zwischen den Technologien entstehen viele relevante Neuerungen, beispielsweise an der Schnittstelle Medizintechnologie – Nanotechnologie. Vielversprechende Ansätze finden sich im Bereich der Nanodrugs (pharmakologische Substanzen in nanoskaliger Darreichung), Nanobots (autonome Roboter im Kleinstformat, z. B. für die Beseitigung von Krankheitsherden) und Nanomembranes (z. B. für Dialyseverfahren). Darüber hinaus wird auch die Wartung und Reparatur einer stetig komplexer werdenden Medizintechnik weitere Geschäftschancen eröffnen.
Im nicht industriellen Sektor der Gesundheitswirtschaft, der in erster Linie Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, den Handel mit Gesundheitsprodukten, Krankenversicherungen und den zweiten Gesundheitsmarkt umfasst, liegen die Potenziale überwiegend im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Digitalisierung. Vor allem Software-Unternehmen können in diesem Bereich Fuß fassen, denn viele Akteure der nicht industriellen Gesundheitswirtschaft befinden sich erst im Anfangsstadium der digitalen Transformation. Verbesserungspotenziale befinden sich hauptsächlich bei der Prozesssteuerung zwischen den Schnittstellen der Leistungssektoren, daneben aber auch in Krankenhäusern und Arztpraxen selbst.
Auch der Bereich der Krankenversicherung wird sich durch die Digitalisierung tief greifend verändern. Dazu zählen u. a. die mit zunehmender Datennutzung und -auswertung deutlich besseren Möglichkeiten zur Risikobewertung für den Versicherer. Damit verbunden ist die Chance, im Bereich der PKV bzw. der privaten Zusatzversicherung zunehmend individuellere Tarife anbieten zu können. Auch die internen Geschäftsabläufe und der Kundenkontakt können mit dem Einsatz digitaler Technologien effizienter und attraktiver ausgestaltet werden. (vgl. vbw Studie Digitalisierung im Versicherungswesen).
In einem Flächenland wie Bayern und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist die Telemedizin ein weiterer Bereich mit Wachstumschancen für Unternehmen. Der Ärztemangel, vor allem im ländlichen Raum, wird die Nachfrage nach Videosprechstunden oder einem Monitoring von medizinischen Parametern im häuslichen Umfeld deutlich erhöhen. Auch der Bereich mHealth profitiert von diesen Rahmenbedingungen. Wearables, die z. B. Puls, Sauerstoffsättigung oder Temperatur messen, werden immer häufiger eingesetzt und beispielweise bei Sportlern auch ohne medizinische Indikation immer beliebter. Besonders Unternehmen, die sowohl die notwenige Soft- als auch Hardware zur Verfügung stellen, eröffnen sich hier große Marktchancen. Das gilt umso mehr, sobald die Nutzung der Daten für einen echten therapeutischen oder diagnostischen Zweck ermöglicht wird.
Hürden

Neben Stärken und Chancen gibt es auch ein enormes Verbesserungspotenzial. So dauern Zulassungsverfahren in der Medikamentenentwicklung in Deutschland vergleichsweise lange, Innovationen werden nicht ausreichend belohnt und regulatorische Vorschriften bedeuten einen erheblichen Mehraufwand für Unternehmen.
Eine entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche digitale Gesundheitswirtschaft ist eine leistungsfähige Infrastruktur. Deutschland liegt hier teilweise nur im Mittelfeld. Noch nicht flächendeckend verfügbare hochleistungsfähige digitale Netze bremsen Forschungseinrichtungen und Unternehmen in ihren Möglichkeiten, die Potenziale der verfügbaren Technologien auszuschöpfen. Auch Datenschutzbedenken sind ein Hindernis für innovative Forschung und Anwendungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Für Spitzenforschung erforderliche Infrastrukturen wie z. B. Labore sind nicht auf dem neuesten technischen Stand oder nicht in ausreichender Anzahl verfügbar.
Darüber hinaus wird es für ein innovatives Gesundheitswesen entscheidend sein, die verschiedenen technologischen Trends über die unterschiedlichen Anwendungsfelder und Forschungsbereiche hinweg miteinander zu verknüpfen und Möglichkeiten zur Vernetzung und zum Austausch zu schaffen.