In­no­va­tio­nen ent­wi­ckeln, Ge­schäfts­mo­dell wei­ter­ent­wi­ckeln

Die deut­sche Wirt­schaft ist in­no­va­ti­ons­stark. Sie steht aber oft vor der Her­aus­for­de­rung, das sog. In­no­va­tor’s Di­lem­ma zu über­win­den: Das ak­tu­el­le Ge­schäfts­mo­dell trägt zu gut, um es nicht wei­ter zu be­die­nen. Gleich­zei­tig muss man sich je­den­falls in der stra­te­gi­schen Pla­nung da­von lö­sen, neue We­ge durch­den­ken und dann vor al­lem auch Um­set­zungs­schrit­te zü­gig ein­lei­ten.

In­no­va­ti­ons­stra­te­gie

Je­des Un­ter­neh­men soll­te sich ei­ne In­no­va­ti­ons­stra­te­gie ge­ben, die die Fra­ge be­ant­wor­tet, wel­che We­ge, Gre­mi­en und Ka­nä­le für die Ent­wick­lung neu­er Ide­en zur Ver­fü­gung ste­hen sol­len.

 

In­no­va­tio­nen fin­den in Un­ter­neh­men jeg­li­cher Grö­ßen­ord­nung statt – ent­schei­dend ist, dass Ide­en auf frucht­ba­ren Bo­den fal­len und trotz des for­dern­den Ta­ges­ge­schäfts die rea­lis­ti­sche Chan­ce be­steht, die viel­ver­spre­chends­ten zu er­ken­nen und wei­ter­zu­ver­fol­gen.

 

In­ter­es­sant ist da­bei im­mer die Fra­ge: Wie ma­chen es die an­de­ren? Die für die Stu­die Tech­Check 2019. Er­folgs­fak­tor Mensch. durch­ge­führ­te qua­li­ta­ti­ve Be­fra­gung von baye­ri­schen Un­ter­neh­men zeigt: Fes­te Gre­mi­en für ei­ge­ne Ent­wick­lun­gen exis­tie­ren haupt­säch­lich in Un­ter­neh­men mit mehr als 250 Mit­ar­bei­tern, im pro­du­zie­ren­den Ge­wer­be ten­den­zi­ell eher mit mehr als 500 Mit­ar­bei­tern (vgl. Ab­bil­dung un­ten). Die ei­ne rich­ti­ge Lö­sung gibt es nicht, die Er­fah­run­gen der Un­ter­neh­men zei­gen aber: Zu emp­feh­len sind in je­dem Fall ge­misch­te Teams und ei­ne Kom­bi­na­ti­on aus ex­ter­nem und in­ter­nem Wis­sen. Da­für soll­te sich das Un­ter­neh­men zu­erst ei­ne Wis­sens­stra­te­gie ge­ben.

 

 

In den Hand­lungs­emp­feh­lun­gen 2017 (Neue Wert­schöp­fung durch Di­gi­ta­li­sie­rung) wird er­läu­tert, wie ei­ne Wis­sens­stra­te­gie aus­se­hen kann und wel­che Fra­gen es da­mit zu be­ant­wor­ten gilt. Da­zu zäh­len et­wa die Auf­stel­lung und Be­wer­tung des ei­ge­nen di­gi­ta­len Ka­pi­tals. Ins­be­son­de­re der­je­ni­ge der neue Pro­duk­te ent­wi­ckelt, braucht zu­dem ei­ne Stra­te­gie für den Um­gang mit geis­ti­gem Ei­gen­tum, al­so et­wa mit Pa­ten­ten (vgl. auch 01.5.2). Die Wis­sens­stra­te­gie ist wich­ti­ger Be­stand­teil je­der In­no­va­ti­ons­stra­te­gie

Er­fin­dun­gen, Ent­wick­lun­gen: Un­ter­stüt­zungs­an­ge­bo­te nut­zen

In Bay­ern steht in­no­va­ti­ven Un­ter­neh­men ei­ne Viel­zahl von An­lauf­stel­len zur Ver­fü­gung, die in An­spruch ge­nom­men wer­den soll­ten. Da­zu zäh­len In­no­va­ti­ons­la­bo­re als Test- und An­wen­dungs­zen­tren (z. B. In­dus­tri­al IoT des Fraun­ho­fer IIS in Nürn­berg als Test­um­ge­bung, of­fe­nes In­no­va­ti­ons­la­bor JO­SEPHS® in Nürn­berg für den Kon­takt zu End­nut­zern) und das Patent­zen­trum Bay­ern (Schutz­rech­t­re­cher­che, Er­fin­dungs-Check, Be­ra­tung bis zur Markt­ein­füh­rung) in Nürn­berg und Hof.

 

KMU im Sin­ne der EU-Kri­te­ri­en (we­ni­ger als 250 Mit­ar­bei­ter und Jah­res­um­satz von höchs­tens 50 Mil­lio­nen Eu­ro oder Jah­res­bi­lanz­sum­me bis max. 43 Mil­lio­nen Eu­ro) kön­nen zu­dem über die Baye­ri­sche Pa­ten­tal­li­anz (Bay­PAT) Dienst­leis­tun­gen im Rah­men des WI­PA­NO-För­der­pro­gramms des BM­Wi in An­spruch neh­men. Mit die­sem wird un­ter an­de­rem die Pa­tent­an­mel­dung mit bis zu 10.000 Eu­ro ge­för­dert; die Bay­PAT un­ter­stützt KMU auch bei der An­trag­stel­lung.

 

Ei­ne Pa­ten­t­ana­ly­se – wie sie für die Stu­die Tech­Check 2019. Er­folgs­fak­tor Mensch. ge­nutzt wur­de und auch von vie­len Un­ter­neh­men in An­spruch ge­nom­men wird – kann u. a. Auf­schluss über die re­le­van­ten Schnitt­stel­len, die ei­ge­ne Po­si­tio­nie­rung im na­tio­na­len und in­ter­na­tio­na­len Um­feld und be­son­ders re­le­van­te Pa­ten­te ge­ben. Ein Bei­spiel ist die ge­häuf­te Nut­zung von Uh­ren­pa­ten­ten durch Tech­no­lo­gie­kon­zer­ne, u. a. durch das Un­ter­neh­men Ap­ple, das lan­ge vor ih­rer Markt­ein­füh­rung die Ent­wick­lung der Smart­watch an­deu­te­te. In et­was klei­ne­rem Rah­men bie­tet Bay­ern In­no­va­tiv für be­stimm­te Be­rei­che Tren­d­ra­da­re an.

Ge­schäfts­mo­del­l­ent­wick­lung

Je­des Un­ter­neh­men soll­te in re­gel­mä­ßi­gen Ab­stän­den die Zu­kunfts­fä­hig­keit sei­nes Ge­schäfts­mo­dells ana­ly­sie­ren und Wei­ter­ent­wick­lun­gen oder Neu­aus­rich­tungs­mög­lich­kei­ten prü­fen. Zen­tra­le As­pek­te sind die Mög­lich­kei­ten zur Da­ten­ver­wer­tung, die Rol­le di­gi­ta­ler Platt­for­men, ei­ne stär­ke­re Nutz­er­zen­trie­rung und mög­li­che Ver­än­de­run­gen in der Wert­schöp­fungs­ket­te.

 

Ge­trie­ben vor al­lem durch die di­gi­ta­le Trans­for­ma­ti­on spie­len neue Ge­schäfts­mo­del­le ne­ben In­no­va­tio­nen bei phy­si­schen Pro­duk­ten ei­ne zu­neh­mend wich­ti­ge Rol­le. In frü­he­ren Hand­lungs­emp­feh­lun­gen wur­de be­reits be­tont, dass je­des Un­ter­neh­men sei­ne ei­ge­ne Di­gi­ta­li­sie­rungs­stra­te­gie und Da­ten­stra­te­gie be­nö­tigt. Sie sind Grund­la­gen für die Ent­wick­lung neu­er Ge­schäfts­mo­del­le. Ers­ter Schritt muss da­bei im­mer ei­ne Ana­ly­se der heu­ti­gen und mög­li­chen künf­ti­gen Leis­tungs­be­zie­hun­gen sein.

 

Ana­ly­se der Leis­tungs­be­zie­hun­gen

In der ge­sam­ten Wirt­schaft voll­zieht sich seit ei­ni­gen Jah­ren ei­ne Ver­än­de­rung in den Leis­tungs­be­zie­hun­gen. Ge­trie­ben wer­den die­se ins­be­son­de­re durch die Mög­lich­kei­ten der Di­gi­ta­li­sie­rung und hier na­ment­lich durch das Ent­ste­hen von Platt­for­men und die Ana­ly­se der er­fass­ten Da­ten.

 

 

Mit zu­neh­men­dem Kun­den­kon­takt wer­den mehr In­for­ma­tio­nen über die tat­säch­li­che Nut­zung der Sa­che, An­for­de­run­gen des Kun­den und ggf. auch über ih­ren Wert für den Ab­neh­mer über­mit­telt. Aus fi­xen Kos­ten wer­den für den Kun­den zu­neh­mend va­ria­ble Kos­ten. Der Her­stel­ler bzw. Ver­käu­fer / Ver­mitt­ler kann sei­ner­seits am wirt­schaft­li­chen Er­folg sei­nes Kun­den par­ti­zi­pie­ren, wenn nut­zungs­ab­hän­gig ab­ge­rech­net wird (Wech­sel von ei­ner kos­ten- zu ei­ner kun­den­nut­zen­ori­en­tier­ten Er­lös­mo­dell­ge­stal­tung), oder er sei­ne Ver­gü­tung an den beim Kun­den ent­ste­hen­den Vor­tei­len ori­en­tie­ren kann.

 

Auf Ba­sis der aus­ge­tausch­ten Da­ten wird es mög­lich, neue An­ge­bo­te für die Kun­den zu ent­wi­ckeln. Die Grenz­wert­kos­ten ei­nes zu­sätz­li­chen Nut­zers ge­hen da­bei ge­gen Null. Ist ei­ne Soft­ware erst ein­mal ent­wi­ckelt, kann sie (fast) oh­ne Zu­satz­kos­ten be­lie­big oft ver­viel­fäl­tig und ge­nutzt wer­den, je­den­falls so­lan­ge die An­wen­dun­gen als sol­che nicht si­cher­heits­kri­tisch sind. Über das In­ter­net kann ein rie­si­ger Markt in kür­zes­ter Zeit er­reicht wer­den. Die An­bie­ter ste­hen da­bei in di­rek­tem Aus­tausch mit dem End­ver­brau­cher und ha­ben un­mit­tel­ba­ren Zu­griff auf sei­ne Da­ten. Die ent­ste­hen­den soft­ware­b­a­sier­ten Öko­sys­te­me bin­den die Nut­zer und ei­ne Viel­zahl an Fir­men mit neu­en Ge­schäfts­mo­del­len ein. Al­ler­dings kön­nen Platt­for­men auch da­zu füh­ren, dass – auch bran­chen­frem­de – Drit­te die Kun­den­schnitt­stel­le be­set­zen und sich die Wert­schöp­fung ver­schiebt.

Ko­ope­ra­tio­nen su­chen

Zu ei­ner zu­kunfts­fä­hi­gen un­ter­neh­me­ri­schen In­no­va­ti­ons­stra­te­gie zähl­tauch, Ko­ope­ra­ti­ons­op­tio­nen auf ver­schie­de­nen Ebe­nen fort­lau­fend in Be­tracht zu zie­hen. Ei­ne Stu­die der Fraun­ho­fer-Ge­sell­schaft von 2016 zeigt, dass Un­ter­neh­men, die mit der For­schungs­ein­rich­tung ko­ope­rie­ren, ei­ne um mehr als zehn Pro­zent­punk­te er­höh­te Wahr­schein­lich­keit ha­ben, Pro­dukt­neu­hei­ten her­vor­zu­brin­gen, und bei Markt­neu­hei­ten so­gar ei­ne um 13,2 Pro­zent­punk­te­er­höh­te Wahr­schein­lich­keit. Die­se Un­ter­neh­men ar­bei­ten ge­ne­rell häu­fi­ger mit For­schungs­ein­rich­tun­gen zu­sam­men. Die Im­pact­mes­sung er­fasst da­bei auch Fäl­le, in de­nen das For­schungs­pro­jekt vom Un­ter­neh­men an Fraun­ho­fer her­an­ge­tra­gen wur­de und der ex­ak­te An­teil an der In­ven­ti­ons­leis­tung nur schwer er­mit­tel­bar ist. In die­sen Fäl­len wird das For­schungs­pro­jekt ge­mein­sam wei­ter spe­zi­fi­ziert bzw. an ei­ner Lö­sung ge­ar­bei­tet. Wei­ter­hin zeigt die Stu­die, dass mit Fraun­ho­fer ko­ope­rie­ren­de KMU in den Fol­ge­jah­ren ei­nen si­gni­fi­kant hö­he­ren Um­satz ha­ben und si­gni­fi­kant hö­he­re Ge­win­ne er­wirt­schaf­ten.

 

Wei­te­re wich­ti­ge wis­sen­schaft­li­che Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner – auch für pro­dukt­be­glei­ten­de Dienst­leis­tun­gen, Pro­zes­sin­no­va­tio­nen oder or­ga­ni­sa­to­ri­sche In­no­va­tio­nen – sind ins­be­son­de­re die Hoch­schu­len.

 

Ei­ne mög­li­che Ant­wort auf zu­neh­men­de Kom­ple­xi­tät und Ver­än­de­rungs­ge­schwin­dig­keit ist die Bil­dung von un­ter­neh­mens­über­grei­fen­den Ko­ope­ra­tio­nen oder gan­zen Wert­schöp­fungs­netz­wer­ken. Pas­sen­de Part­ner fin­den sich bran­chen­in­tern bei­spiels­wei­se über Ak­ti­vi­tä­ten der Fach­ver­bän­de, bran­chen­über­grei­fend bei Clus­tern und ähn­li­chen Netz­wer­ken (Bay­ern­In­no­va­tiv etc.). Dar­über hin­aus er­mög­li­chen auf B2B-Kon­tak­te spe­zia­li­sier­te In­ter­net-Platt­for­men ei­ne nied­rig­schwel­li­ge Kon­takt­auf­nah­me.

 

Bei neu­en Ge­schäfts­mo­del­len in kom­ple­xen Dienst­leis­tungs­sys­te­men muss auch die Per­spek­ti­ve der üb­ri­gen Ak­teu­re be­rück­sich­tigt wer­den. Da­zu kann es sich an­bie­ten, Me­tho­den kol­la­bo­ra­ti­ver Ge­stal­tung ein­zu­set­zen. Je nach Un­ter­neh­mens- und Wett­be­werbs­si­tua­ti­on kann der Grad der Kol­la­bo­ra­ti­on da­bei von ei­ner blo­ßen Be­rück­sich­ti­gung der Leis­tungs­be­stand­tei­le­wei­te­rer Ak­teu­re (Markt- und Wett­be­werbs­ana­ly­sen) bis hin zu ei­ner ge­mein­sa­men Ge­stal­tung des Ge­schäfts­mo­dells ge­hen (z. B. Busi­ness­Mo­del Co-Crea­tor). Das ent­wi­ckel­te neue Ge­schäfts­mo­dell kann ei­nem Stress­test un­ter­zo­gen wer­den, um das Ri­si­ko vor der Markt­ein­füh­rung zu re­du­zie­ren. Ei­ne sol­che Si­mu­la­ti­on soll zu­künf­ti­ge Ent­wick­lun­gen an­ti­zi­pie­ren, ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven be­rück­sich­ti­gen und die Iden­ti­fi­ka­ti­on von Ver­bes­se­rungs­po­ten­zia­len er­mög­li­chen. Der Busi­ness Mo­del Clash des Fraun­ho­fer IAO z. B. setzt da­bei auf Me­tho­den des Se­rious Ga­ming(Wis­sens­ver­mitt­lung im Rah­men ei­nes di­gi­ta­len „Spiels“).

 

Die Be­deu­tung der Zu­sam­men­ar­beit mit Start-ups schließ­lich geht über das kon­kre­te Ent­wi­ckeln tat­säch­lich ein­setz­ba­rer neu­er Lö­sun­gen hin­aus: Die In­ter­ak­ti­on lie­fert auch ei­nen wich­ti­gen Bei­trag zur Ent­wick­lung der ei­ge­nen Un­ter­neh­mens­kul­tur und An­re­gun­gen für neue For­men der Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on, wie das Bei­spiel der gro­ßen Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men im Werk 1 / In­s­ur­tech Hub zeigt, bzw. für agi­le Ar­beits­me­tho­den. Zu­dem fun­gie­ren Start-ups auch als Trends­couts. Die Be­ob­ach­tung des Grün­der­ge­sche­hens lohnt sich da­her für je­des Un­ter­neh­men.

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