Grundlagen für erfolgreiches Wirtschaften schaffen
Infrastruktur
Zu den Kernaufgaben des Staates gehört es, die notwendigen infrastrukturellen Rahmenbedingungen für den technologischen Fortschritt zu schaffen. Die Anforderungen an den Staat aus Sicht der Unternehmen sind klar auf die Gewährleistung innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen ausgerichtet.
Die Basis: eine innovations- und wirtschaftsfreundliche Infrastruktur
- Maßvolle bürokratische Anforderungen
- Schnelle Verfahrensabwicklung (z. B. Zulassungen, Genehmigungen), E-Government
- Leistungsstarke Kommunikations- und Verkehrsinfrastruktur
- Zuverlässige Energieversorgung
- Zukunftsfähiges Bildungssystem, einschließlich der infrastrukturellen Voraussetzungen
- Ausreichend flexibler Rechtsrahmen (z. B. Arbeitsrecht)
Weitere Faktoren, die Qualität und Attraktivität des Standorts prägen, kommen hinzu: u. a. Gesundheitsversorgung, öffentliche Sicherheit und kulturelle Einrichtungen. Das muss als Mindestmaß gewährleistet werden, damit erfolgreiches Wirtschaften am Standort möglich bleibt. Für grundlegende Innovationen muss punktuell mehr hinzukommen (vgl. Kachel 02.4).
Als wesentlich wird aktuell vor allem der zügige, flächendeckende Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur angesehen. Wie bereits in früheren Handlungsempfehlungen betont, bleibt der flächendeckende Ausbau von Glasfaser- und Mobilfunkanschlüssen (bis hin zu 5G) eine der entscheidenden Aufgaben der kommenden Jahre. Der Bedarf von Unternehmen, Wissenschaft, Verwaltung und Bürgern an hochleistungsfähigen Verbindungen wächst ständig weiter an. Um auch nur mittelfristig damit Schritt halten zu können, muss heute für (vermeintlich) höchste Ansprüche ausgebaut werden. Insbesondere beim künftigen Mobilfunkstandard 5G müssen wir Tempo und Ambitionen erhöhen, um von Anfang an an der Spitze mitspielen und die Anwendungspotenziale der Echtzeitnutzung von Massendaten – z. B. für Industrie 4.0, Smart Farming, intelligente Verkehrssteuerung oder medizinische Anwendungen – heben zu können.
Bei der Digitalisierung der Verwaltung hat sich Bayern zu Recht wesentlich ambitioniertere Ziele gesetzt als der Bund: Bis Ende 2020 sollen die wichtigsten Verwaltungsleistungen digital verfügbar sein. Das muss auch die Einrichtung eines nutzerfreundlichen digitalen Unternehmerportals mit entsprechender ID umfassen. Die Vorhaben müssen auf Landes- und Bundesebene mit Nachdruck vorangetrieben werden. Entscheidend ist dabei, dass Interoperabilität zwischen allen Angeboten auf den verschiedenen staatlichen Ebenen sichergestellt wird, sodass sie für Wirtschaft und Verbraucher bruchfrei nutzbar sind und wie aus einem Guss erscheinen.
Neben der Bundes- und Landesebene spielt dabei auch die kommunale Ebene eine wichtige Rolle. Jede Kommune ist gefordert, im eigenen Bereich die richtigen Rahmenbedingungen für Innovationen zu schaffen. Vor allem darf eine aktuell hervorragende Situation kein Grund sein, weitere Zukunftsprojekte abzublocken. Beispiele etwa aus dem Bereich des Glasfaserausbaus zeigen, wie erfolgreich vor Ort Projekte umgesetzt werden können und wie entscheidend das proaktive Wirken der gemeindlichen Ebene ist. Der Glasfaserausbau in der oberbayerischen Gemeinde Halsbach erschließt tatsächlich jede Milchkanne und konnte mit einer Kabelverlegung quer über die Felder für etwa ein Viertel der ursprünglich veranschlagten Kosten durchgeführt werden. Auch in anderen Infrastrukturbereichen wie dem Verkehrssystem ist kommunales Engagement oft erfolgsentscheidend.
Bildungssystem
Im gesamten Bildungssystem, insbesondere auch an den allgemeinbildenden Schulen, muss ein noch stärkerer Fokus darauf gerichtet werden, ein Verständnis für Zusammenhänge zu wecken. Das gilt für das Wirtschaftssystem im Ganzen wie für bestimmte grundlegende Strukturen, z. B. die Energieversorgung.
Digitale Kompetenzen auf- und ausbauen

Digitale Kompetenzen auf allen Ebenen des Bildungssystems sind unabdingbar. Die Handlungsempfehlungen von 2017 (Neue Wertschöpfung durch Digitalisierung) müssen konsequent umgesetzt werden. Der von der vbw initiierte Aktionsrat Bildung hat mit seinem Gutachten von 2018 (Digitale Souveränität und Bildung) wichtige konkrete Ansätze aufgezeigt. Er stellt darin die Bedeutung digitaler Kompetenzen als „4. Kulturtechnik“ heraus und fordert eine umfassende Reformierung des Bildungssystems mit dem Ziel der Vermittlung digitaler Souveränität. Digitale Souveränität bedeutet, dass jeder Einzelne befähigt sein soll, digitale Medien selbstbestimmt und unter eigener Kontrolle zu nutzen und sich an die ständig wechselnden Anforderungen in einer digitalisierten Welt anzupassen. Somit bildet die digitale Souveränität eine wesentliche Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe sowie für unsere jetzige und künftige Wettbewerbsfähigkeit. Außerdem bieten digitale Medien vielfältige Möglichkeiten, um die Qualität des Lehrens und Lernens zu verbessern.
Wichtige Maßnahmen, die innerhalb eines Gesamtkonzepts zur digitalen Bildung parallel und verzahnt umgesetzt werden müssen
- intensiver Ausbau der digitalen Infrastruktur an Schulen, Berufsschulen und Hochschulen
- feste Verankerung einer digitalen Grundbildung in den allgemeinbildenden Schulen, den Ausbildungsberufen und in jedem Studiengang
- digitale Kompetenzen auch bei der Arbeitnehmerweiterbildung stärken und fördern
- systematische Implementierung digitaler Lehr- und Lerninhalte an allen Bildungseinrichtungen
- in der Aus- und Weiterbildung des pädagogischen Personals eine deutliche Schwerpunktsetzung auf das digitale Lehren und Lernen legen
- flächendeckendes technisches und medienpädagogisches Unterstützungsangebot für Bildungseinrichtungen schaffen
- Intensivierung des Forschungsbereichs „Digitalisierung in der Bildung“
Es muss fortlaufend geprüft werden, welche neuen Aspekte in die Bildungsangebote aufzunehmen sind, etwa im Hinblick auf künstliche Intelligenz und die Mensch-Maschine-Interaktion. Diese Themen müssen insbesondere auch in die berufliche Bildung berufsspezifisch integriert werden. Die Digitalisierung der Schulen und Hochschulen (bedarfsgerechte Infrastrukturausstattung und Qualifizierung der Lehrkräfte) muss mit Nachdruck vorangetrieben werden. Die vbw Studien Digitale Bildung an bayerischen Schulen (2017) und Digitale Bildung an bayerischen Hochschulen (2018) geben einen Überblick über den Stand der digitalen Bildung und zeigen notwendige Reformschritte auf.
Auch die Vermittlung algorithmischen Denkens ist Teil der digitalen Souveränität, die auf allen Ebenen des Bildungssystems vermittelt werden muss. Hier geht es darum, ein Grundverständnis von den Mechanismen zu vermitteln, die unser Alltags- und Berufsleben in zunehmendem Maße prägen. Staat und Verwaltung sind ebenfalls auf entsprechenden Sachverstand angewiesen.
Grundkompetenzen für alle stärken

Allgemeinbildende Schulen können nicht für jede technologische Neuerung spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln. Der Fokus muss daher noch stärker auf der strategischen Überlegung liegen, welche Grundkompetenzen notwendig sind. Ziel ist eine breite Basis, auf der eine spätere Vertiefung in besonderen schulischen Angeboten, Ausbildung und Studium aufbauen kann. Immer wichtiger wird die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen und Themen ganzheitlich zu betrachten.
Vermittelt werden muss vor allem die Kompetenz, Sachverhalte einzuordnen und Informationen zu bewerten. Dazu müssen keine neuen Schulfächer geschaffen werden – bestehende Inhalte können anhand entsprechender Beispiele erarbeitet werden, z. B. im Mathematik- oder auch im Geografieunterricht. Gleichzeitig werden dadurch die methodischen Lerninhalte konkreter und plastischer. Gestärkt werden muss dabei auch die Anwendungskompetenz, gerade in der Vernetzung verschiedener Fächer beziehungsweise mit fächerübergreifenden Themen und Fragestellungen.
Lehrerbildung

Auf die Fähigkeit zur Vermittlung von Zusammenhängen und zur Bewertung von Informationen (z. B. Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten, Chancen und Risiken) muss in der Qualifizierung ein noch stärkerer Fokus gelegt werden (vgl. Ausklapper 2).
Für die Fortbildung der Informatik-Lehrer an den allgemeinbildenden Schulen und die Vermittlung von Grundkenntnissen an das gesamte Lehrpersonal müssen die bestehenden Angebote (z. B. Akademie für Lehrerausbildung in Dillingen) weiter gestärkt und die Zusammenarbeit mit den Hochschulen intensiviert werden. Der Staat muss auch den Universitäten die Mittel zur Verfügung stellen, um diese Aufgabe erfüllen zu können. Grundlage ist eine umfassende Personalplanung für die Vermittlung der inhaltlichen Kenntnisse und medienpädagogischen Fähigkeiten.
Schnittstellenkompetenzen für die Begleitung der digitalen Transformation im Unternehmen fördern

Für eine bessere Implementierung neuer Technologien im Unternehmen werden Schnittstellenkompetenzen gebraucht, deren Erwerb gezielt aufgebaut werden muss. Insbesondere im Rahmen der digitalen Transformation benötigen Unternehmen zunehmend Mitarbeiter, die technische Kenntnisse mit didaktischem Know-how kombinieren, fachübergreifend agieren und Prozesse beherrschen können (vgl. Kachel 01.3).
Mit dem Modellprojekt „IT- / Digitalisierungspädagoge“ der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und der vbw wird aktuell ein Konzept getestet, das arbeitssuchenden (technikaffinen) Akademikern die Möglichkeit eröffnet, das Spektrum des eigenen Berufsfelds zu erweitern und einen neuen Arbeitsmarktbereich zu erschließen. Ziel ist, die Unternehmen bei der Gestaltung von digitaler Transformation und unternehmensspezifischer Qualifizierungsmaßnahmen zu unterstützen. Bei einem erfolgreichen Abschluss des Projekts wird eine Überführung in die Regelstrukturen und eine bundesweite Umsetzung des Konzepts angestrebt.
Steuerliche Anreize für Unternehmen und Mitarbeiter weiterentwickeln

Steuerliche Anreize sind ein sinnvolles und einfach umsetzbares Mittel, um das notwendige Investitionsgeschehen in Ausbildungsstätten anzustoßen. Zu denken ist vor allem an eine degressive AfA und an Sonderabschreibungen.
Auch im Bereich der Weiterbildung sind steuerliche Maßnahmen geboten, um angesichts der tiefgreifenden Umwälzungen vor allem im Rahmen der digitalen Transformation zusätzliche Anreize zu setzen. Arbeitgeber können Kosten für die Fortbildung ihrer Beschäftigten bisher voll als Betriebsausgaben absetzen – wenigstens für einen mehrjährigen Übergangszeitraum sollte ein überproportionaler Abzug, z. B. 120 Prozent, ermöglicht werden. Die Beschäftigten ihrerseits können Weiterbildungen als Werbungskosten absetzen, müssen aber ebenfalls zusätzliche Anreize bekommen, zumal sich bis zum Erreichen der Werbungskostenpauschale ein besonderes Engagement steuerlich bisher nicht rechnet.
Berufliche Bildung kontinuierlich weiterentwickeln

Die berufliche Bildung leistet einen elementaren Beitrag, wenn es darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft zu erhalten. Grundlage dafür ist ihre kontinuierliche Weiterentwicklung, um gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturentwicklungen gerecht zu werden und die Sicherung und Optimierung von Qualitätsprozessen voranzutreiben. In vielen Branchen gibt es Neuordnungsverfahren bzw. sind diese bereits abgeschlossen – etwa derzeit bei den IT-Berufen voraussichtlich zum 01. August 2020 oder schon zum 01. August 2018 im M+E-Bereich. Die zum 01. August 2018 in Kraft getretenen elf modernisierten M+E-Ausbildungsberufe sowie sieben optionale Zusatzqualifikationen sind ein Beispiel für die gelungene Weiterentwicklung der Ausbildungsberufe im Hinblick auf die Herausforderungen der digitalen Transformation, deren Nutzung es fortlaufend zu begleiten gilt.
Damit noch mehr Flexibilität in der Ausbildung möglich wird, kann im Rahmen anstehender Überarbeitungen von Berufen eine Gliederung der Ausbildung in Ausbildungsbausteine eine Option darstellen, wenn die Sozialpartner dies wollen. Zur Stärkung der Attraktivität der beruflichen Bildung braucht es eine Verzahnung von akademischer und beruflicher Berufsausbildung. Moderne und zukunftsorientierte Berufsprofile können sich beispielsweise durch die Möglichkeit des Erwerbs von Zusatzqualifikationen oder anrechenbarer Module für ein späteres Studium auszeichnen.
Auch der duale Partner Berufsschule muss sich für die rasant wachsende, global vernetzte Informations- und Arbeitswelt rüsten. Deshalb müssen die Berufsschulen den Aus- und Weiterbildungsstand ihrer Lehrkräfte, ihre innere Führungsstruktur und ihren Qualitätsstandard ständig überprüfen und weiterentwickeln. Es müssen neue Lehr- und Lernmethoden von allen Lehrkräften geübt und in der Unterrichtspraxis eingesetzt werden. Berufsschullehrer und Berufsausbilder stehen häufig vor ähnlichen Problemen. Um den Austausch und die Zusammenarbeit zu intensivieren, sollten sie vermehrt gemeinsam den Weiterbildungsbedarf festlegen, planen und durchführen.
Berufsbegleitende Qualifizierung

Das Angebot an berufsbegleitenden Qualifizierungsoptionen, wie z. B. Modulstudien, Zertifikatsstudiengänge, digitalen Nano Degrees (und berufsbegleitende Bachelor- Studiengänge), ist weiter zu stärken und gezielt auszubauen, insbesondere in den MINT-Fächern. Nano Degrees sind Online- Angebote von Weiterbildungsplattformen wie Udacity, die berufsbegleitend oder neben dem Hauptstudium belegt werden können und aktuelles Wissen beispielsweise in bestimmten Programmiersprachen oder in speziellen Anwendungsfeldern (z. B. Data Visualization, Cloud Developer) vermitteln und mit einem Zertifikat abschließen. Vorteile dieser Angebote sind die im Vergleich zu Lehrplänen deutlich höhere Reaktionsgeschwindigkeit beim Aufgreifen neuer Inhalte und die Praxisorientierung bei in Kooperation mit der Industrie erstellten Modulen.
Fachkräftesicherung
Die aktuelle vbw Studie Arbeitslandschaft 2025 prognostiziert, dass bis zum Jahr 2025 in Deutschland 2,9 Millionen Fachkräfte am Arbeitsmarkt fehlen werden. In Bayern wird zu diesem Zeitpunkt ein Mangel in Höhe von 350.000 Fachkräften erwartet, ein erheblicher Teil davon im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik, technische Entwicklung / Konstruktion / Produktionssteuerung. Mit der Initiative Fachkräftesicherung FKS+, die die vbw in Kooperation mit der Bayerischen Staatsregierung umsetzt, werden bereits wichtige Schritte unternommen, um diese Lücke zu schließen. Diese Maßnahmen müssen konsequent fortgeführt und passgenau ergänzt werden. Nicht nur in der Breite, auch an der absoluten technologischen Spitze müssen die richtigen Fachkräfte (z. B. Wissenschaftler) gewonnen und langfristig gehalten werden.
Standortattraktivität sichern und vermitteln

Die in Kachel 02.2.1 skizzierten Rahmenbedingungen spielen auch bei der Fachkräftegewinnung und -bindung eine wichtige Rolle. Das gilt besonders für die „weicheren“ Faktoren wie serviceorientiertes Behördenhandeln (z. B. bei der Anerkennung von Abschlüssen, der Erteilung von Genehmigungen) oder familienfreundliche Angebote. Hier sind besonders die Kommunen gefordert.
Qualifizierungskonzepte schneller entwickeln und umsetzen

Die Ergebnisse anwendungsnaher Forschungsprojekte zu Zukunftstechnologien müssen noch schneller in Maßnahmen für lebenslanges Lernen „übersetzt“ werden. Ein Vehikel dafür könnte die bereits bestehende Projektförderung des Bundes sein: Die entsprechenden Ausschreibungen könnten in passenden Fällen beispielsweise ein konkretes Qualifizierungskonzept als Teil des Ergebnisses einfordern, für das fünf bis zehn Prozent der jeweils beantragten Fördersumme vorzusehen sind. Gleichermaßen können auch Geschäftsmodelle oder die Beschreibung möglicher Anwendungsgebiete schon im Call for Projects (Aufforderung zur Einreichung von Projektskizzen) vorgegeben werden.
Angebote für technisch interessierte Schüler weiter ausbauen

Um Fachkräfte von morgen zu gewinnen, müssen z. B. bereits vorhandene Informatik- und Robotik-Angebote an Schulen konsequent weiter ausgebaut werden. Schulen müssen dazu beitragen, die neue Technologie in die Breite zu tragen und gleichsam zu demokratisieren. Neben Grundkenntnissen in und Interesse an Programmierung ist es wichtig, Zugangshürden möglichst weit zu senken und eine intuitive Erfassung zu erleichtern. Vorbild können etwa die Angebote an allgemeinen und beruflichen Schulen in Niedersachsen sein. Dort sind im Rahmen des Projekts Mensch-Roboter- Kollaboration – Robonatives die Einrichtung von zunächst fünf Zentren an berufsbildenden Schulen in unterschiedlichen Berufsfeldern sowie Technologielabore zum Thema kollaborative Roboter an rund 50 weiterführenden allgemeinbildenden Schulen vorgesehen. An der Universität Hannover ist eine erste roboterfabrik eingerichtet, die sich an Schüler von allgemein- und berufsbildenden Schulen sowie an Auszubildende und Studenten richtet. Die Lernortkooperation muss noch stärker gefördert werden. Vielversprechend ist z. B. der systemintegrierende Ansatz der Digitalen Lernfabrik, bei dem die Wirtschaft Hand in Hand mit den Berufsschulen arbeiten kann.
Spezielle Inhalte (Coding, Robotik) lassen sich gut auch schon in unteren Jahrgängen in spielerischer Form in den Unterricht integrieren– das Angebot an passender Hard- und Software (z. B. Lego Mindstorms, Open Roberta, Calliope mini, Raspberry Pi etc.) ist inzwischen groß. Die Initiativen zur Ausstattung von Schulen müssen fortgeführt werden. Wichtig ist ferner, in allen Phasen der Lehrerausbildung entsprechende Qualifizierungen in ausreichendem Maße durchzuführen, damit die Aktivitäten sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden können.
Gesellschaftliche Akzeptanz von Technologien und Innovationen fördern

Das positive Image von Technologien und Innovationen in der Gesellschaft ist ein weiteres wichtiges Element, da davon auch abhängt, ob sich die Menschen für ein Innovationsthema interessieren, sich ihm aktiv zuwenden und dafür gezielt Qualifikationen erwerben oder naturwissenschaftlich-technische Berufe ergreifen; vergleiche dazu Kachel 02.5 und 02.4.1, Ausklapper 9.
Regionales Kompetenzmonitoring umsetzen

Ergänzend zum Kompetenzmonitoring auf betrieblicher Ebene (vgl. Kachel 01.4) muss es auch auf regionaler Ebene ein Kompetenzmonitoring geben. Hierzu muss die Bundesagentur für Arbeit (BA) ein Kompetenzmonitoring mit einer etwas breiteren Perspektive durchführen. Dessen Ziel muss es sein, zu klären,
- welche Schlüsselkompetenzen für die Arbeit der Zukunft und die Wettbewerbsfähigkeit bayerischer und deutscher Unternehmen wichtig sind und
- über welche Kompetenzen der Innovationsstandort Bayern verfügen muss, um relevanten (technologiegetriebenen) Zukunftsthemen zum Durchbruch zu verhelfen.
Es müssen zudem Möglichkeiten geboten werden, das individuelle Kompetenzprofil zu erfassen und mit am Arbeitsmarkt benötigten Jobprofilen und Kompetenzprofilen abzugleichen. Viele Unternehmen führen bereits eine Bedarfsermittlung durch. Eine Herausforderung für die Unternehmen ist es jedoch, eine aussagekräftige Prognose über die zukünftigen Kompetenzanforderungen zu stellen und darauf basierend passende Qualifizierungsangebote auszuwählen. Deshalb sind regionale Aufklärungsmaßnahmen darüber notwendig, welche Kompetenzfelder und Jobprofile im technologischen Wandel und insbesondere im Kontext der digitalen Transformation benötigt werden.
Frauenanteil signifikant erhöhen

Das unerschlossene Potenzial von Frauen in der Technologieentwicklung muss mit geeigneten Maßnahmen gehoben werden. Modellhaft kann hier ein Projekt in der Robotik und KI sein: Die MSMR will im Rahmen einer „50 – 50 Initiative“ ein gleichgestelltes, gleichberechtigtes Arbeitsumfeld für Frauen und Männer konzipieren und umsetzen, in dem durchgehend 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer teilnehmen, bzw. im Organisationsteam sind. Frauen bzw. Mädchen sollen für die Robotik und Künstliche Intelligenz begeistert und etwaige Berührungsängste abgebaut werden; hierfür soll auch die Koedukation in dem Thema auf den Prüfstand gestellt werden. Gleichzeitig soll durch die Erfahrung eines geschlechtergerechten Arbeitsumfelds die gesteigerte Effektivität und auch Kreativität dieser Umgebung sowohl den weiblichen als auch den männlichen Teilnehmenden erkenntlich gemacht werden. Sämtliche Maßnahmen folgen einem „Purpose Driven“-Ansatz und sollen sowohl Wert für die Wissenschaft als auch besonders für die Gesellschaft haben, wobei die drei großen Leitthemen der MSRM – Zukunft der Gesundheit, Arbeit und Mobilität – im Vordergrund stehen. Wenn das gelingt, kann die MSRM als Kristallisationspunkt für eine bayernweite Strategie dienen. Die hierfür entwickelten Maßnahmen können im Nachgang auf andere Universitäten übertragen werden. Die MSRM entwickelt dazu Strategien und unterstützt bei der Umsetzung. Zuerst werden die folgenden skalierbaren Maßnahmen an der MSRM konzipiert, getestet und umgesetzt: 1. Leadership Level: „Nachwuchsforschungsgruppen Robotics and AI“, 2. PhD Level: „AI-Role Model Lecture Series“, 3. Student Level: „50 – 50 Award Next Gen AI“, 4. School Level: „Roboterfabrik Camps“.
Internationale Wettbewerbsfähigkeit
Die Unternehmen am Standort müssen einen hohen Kostendruck bewältigen. Sie sind mit der Herausforderung konfrontiert, kurzfristig zu investieren und Prozesse zu optimieren, während sie gleichzeitig für die mittel- bis längerfristige Anpassung von Produkten und Geschäftsmodellen an den technologischen Wandel einen erheblichen Investitionsaufwand stemmen müssen. Zu den zentralen Aufgaben des Staates gehört daher, wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Unternehmen diese Herausforderungen bewältigen können.
Wirtschaftsfreundliche Steuerpolitik

Kernelement ist eine wirtschaftsfreundliche Steuerpolitik. Es gilt, in Deutschland die Unternehmenssteuern auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu senken und die Belastungen auch für Private abzubauen. International wettbewerbsfähig wäre ein Belastungsniveau von rund 25 Prozent – aktuell liegen wir in Deutschland bei einer effektiven Belastung der Unternehmen von knapp 32 Prozent, die je nach Gewerbesteuerhebesatz noch höher ausfallen kann.
Es ist richtig, dass die Projektförderung nun endlich auch in Deutschland durch eine steuerliche Forschungsförderung ergänzt wird. Sie muss so umgesetzt und finanziell ausgestattet werden, dass sie eine maximale Hebelwirkung entfaltet und so den Forschungsstandort in der Breite voran bringt. Dazu gehört, dass Forschungskooperationen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen und Spitzenforschungsinstituten von der steuerlichen Förderung profitieren können. Auch für Großunternehmen muss das Angebot im internationalen Vergleich attraktiv sein.
Kosten mittelfristig senken

Die Arbeitskosten dürfen nicht weiter steigen. Insbesondere muss die Lohnzusatzkostenquote stabilisiert und mittelfristig gesenkt werden, vor allem über die Beiträge zur Sozialversicherung.
Die Kosten für die industriellen Stromverbraucher und die Versorgungssicherheit sind Schlüsselfaktoren für die Konkurrenzfähigkeit am Standort. Die Stromkosten in Deutschland sind im internationalen Vergleich schon heute deutlich zu hoch und dürfen keinesfalls weiter steigen. Inzwischen spüren gerade Industrieunternehmen in der ganzen Breite die Belastungen sehr deutlich. Durch den geplanten vorzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung entstehende zusätzliche Kosten dürfen nicht auf die Industrie abgewälzt werden. Ein konsequenter Einsatz für den Ausbau der Stromtrassen ist notwendig, da anderenfalls nicht nur eine weitere Verteuerung aufgrund zusätzlicher Eingriffe der Netzbetreiber (Redispatch) droht, die über die Netzentgelte umgelegt wird, sondern auch eine Aufteilung in Strompreiszonen mit massiven Kostennachteilen für den Standort Bayern.
Keine neuen einseitigen Belastungen durch die EU

Auch auf der europäischen Ebene gilt es, entschlossen gegen neue Belastungen für Unternehmen wie die diskutierte Digitalsteuer oder Finanztransaktionssteuer einzutreten. Sie schwächen in erster Linie die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im Binnenmarkt, internationale Wettbewerber profitieren. Die europäischen Ambitionen zum Beispiel beim Klima- und Umweltschutz müssen immer im globalen Kontext gesehen werden. Die größten Industrieländer stehen für rund 80 Prozent des Treibhausgasausstoßes und haben fraglos eine besondere Verantwortung. Die EU ist für rund zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich und damit allein außerstande, die globale Erwärmung aufzuhalten. Während im Verhältnis zu Entwicklungsländern eine Vorbildfunktion und Vorreiterrolle sinnvoll ist (vgl. Kachel 04.2), müssen im Vergleich zu anderen Industrienationen Alleingänge vermieden werden, um eine bloße Verlagerung von Emissionen (Carbon Leakage) und damit auch das Ausbleiben der notwendigen Klimaschutzeffekte zu vermeiden. Ziel muss es bleiben, ein gleichmäßig hohes Niveau umzusetzen.
Industriepolitik
Eine Industriestrategie und eine darauf aufbauende Industriepolitik ist eine wichtige Grundlage für den Technologie- und Innovationsstandort. Die Studie TechCheck 2019. Erfolgsfaktor Mensch. zeigt, dass sich Anwendungen aus praktisch jedem der zehn bayerischen Zukunftsfelder in einer oder mehreren Schlüsselbranchen Bayerns und Deutschlands niederschlagen. Allein in Gütern aus dem Bereich Maschinenbau kommen Technologien aus neun der zehn Zukunftsfelder zur Anwendung. Eine deutsche und bayerische Industriestrategie muss von den Grundlagen unseres wirtschaftlichen Erfolgs ausgehen (Stärken stärken) und definieren, auf welche zusätzlichen neuen Feldern Spitzenstellungen angestrebt werden (Diversifikation). Kernelemente müssen demnach unter anderem Fahrzeug- und Maschinenbau, aber auch Robotik einschließlich künstlicher (maschineller) Intelligenz sein.
Ziel der Industriepolitik muss es sein, Orientierung für die Wirtschaft zu gewährleisten – insbesondere für KMU –, indem die großen Leitplanken für die nächsten Jahre abgesteckt werden, auch für das Agieren im europäischen und globalen Kontext. Zu den Inhalten gehört eine klare, kriterienbasierte Definition, welches die Schlüsselindustrien für den Standort sind und auf welchen Feldern in welchem Maß nationale Souveränität (Kompetenzen, Rohstoffe etc.) angestrebt wird, um die Zukunftsfähigkeit abzusichern. Eine Strategie darf allerdings nicht mit staatlicher Interventionspolitik verwechselt werden. Staatliche Beteiligungen oder ähnliche Eingriffe zur Verhinderung eines sog. „Ausverkaufs“ von Schlüsseltechnologien etwa dürfen nur die letzte Ausnahme sein und müssen an transparente, harte Kriterien gebunden werden. Industrie- und Technologiestrategie müssen schließlich engstens verzahnt sein, anders als es etwa bislang bei der Nationalen Industriestrategie 2030 und der HighTech-Strategie 2025 der Fall ist. Desgleichen ist auch eine Verzahnung mit der europäischen Forschungs- und Innovationspolitik einschließlich des kommenden Forschungsrahmenprogramms Horizon Europe und seinen Missionen zu gewährleisten.
Grundlage jeder Industriestrategie sowohl auf nationaler wie auf bayerischer Ebene muss eine fundierte Analyse von Schlüsselbranchen beziehungsweise -industrien und der sie prägenden technologischen Trends sowie der strategischen Entwicklungen auf der internationalen Ebene sein, wie sie etwa die Studien Bayerns Zukunftstechnologien (2015) und TechCheck 2019. Erfolgsfaktor Mensch. liefern.

Handlungsempfehlungen: Potenziale bayerischer Zukunftstechnologien - Position in den Bereichen Robotik und Künstliche Intelligenz weiter ausbauen

Handlungsempfehlungen: Potenziale bayerischer Zukunftstechnologien - Handlungsbedarf bei 3D-Anwendungen und in der Luft- und Raumfahrt

Handlungsempfehlungen: Potenziale bayerischer Zukunftstechnologien - Chancen neuer Technologien in den Vordergrund stellen

Handlungsempfehlungen: Spitzenleistungen bei neuen Technologien – Einführung neuer Tools und Industriestrategie
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