Ethische Regeln für Technologien auf zentrale Aspekte fokussieren
Ethische Bewertungen müssen differenziert vorgenommen werden. Es muss dabei stets beachtet werden, dass es im Kern um eine Verbesserung des Status quo durch neue Technologien geht. Bei dem in Kachel 04.5. genannten Beispiel des autonomen Fahrens ist im Ergebnis mit einer deutlichen Reduktion von Verkehrstoten und schweren Unfällen zu rechnen. An die Neuerungen dürfen daher keine strengeren Maßstäbe angelegt werden als an die bestehenden Anwendungen.
Es ist richtig, neue Technologien und Anwendungen an ethischen Grundsätzen zu messen. Derzeit wirkt es allerdings so, als würden an eine künstliche Intelligenz oder ein autonomes System deutlich höhere Anforderungen gestellt, als es in der physischen Welt der Fall ist. Es ist dabei wichtig, bei ethischen Fragen nicht zu generalisieren, sondern die – in der Regel wenigen – zentralen Aspekte herauszugreifen und zu diskutieren, während man gleichzeitig andere Bereiche von vornherein als ethisch unkritisch definiert.
Im Zusammenhang mit Bots wird beispielsweise diskutiert, ob es einen Anspruch auf Offenlegung des KI-Einsatzes geben soll. Bots sind Computerprogramme, die je nach Zielsetzung etwa eigenständig Daten sammeln, Informationen verbreiten, mit anderen Nutzern kommunizieren und interagieren können. Ein bekanntes Beispiel sind Chatbots, die z. B. im Rahmen eines Kundendialogs auf der Internetseite eines Herstellers / Händlers oder in sozialen Netzwerken eingesetzt werden. Gegenwärtig besteht keine allgemeine Pflicht für den Verwender, den künstlichen Ursprung zu kennzeichnen, während die sozialen Netzwerke jeweils ihre eigenen Strategien zum Umgang mit Bots bzw. deren Verhinderung haben. Im jeweiligen Kontext wird es zunehmend schwieriger, einen Bot in der Kommunikation sicher als solchen zu erkennen, also von einem menschlichen Gegenüber zu unterscheiden. Umgekehrt wünschen sich viele Menschen im Umgang mit ihren digitalen Assistenten wie Alexa und Siri, dass sie tatsächlich nur mit einer Maschine sprechen. Die Frage, ob ein Mensch mithört, gehört zu den meistgestellten an die digitalen Assistenten. Die Art und Weise, wie das Thema diskutiert wird, zeigt, dass es eine Sorge und keine Hoffnung ist. Auch jenseits von Chat-Situationen wird viel darüber diskutiert, ob eine KI-Verwendung „deklariert“ werden muss – schon, um daran weitere Pflichten knüpfen zu können, etwa im Hinblick auf die Transparenz von Algorithmen (vgl. Kachel 02.4.3, Ausklapper 4).
Die grüne Gentechnik ist so stark von Ethik überlagert, dass es schwerfällt, einen Bereich zu finden, in dem keine Diskussionen stattfinden. Die Bedenken haben letztlich dazu geführt, dass der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Europa praktisch keine Rolle spielt. In der roten Gentechnik ruft der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen in der Medizin, z. B. der Arzneimittelproduktion, keinen nennenswerten Widerstand hervor. Kontrovers diskutiert werden hier praktisch nur die Eingriffe am Menschen selbst; es wird sich zeigen, ob mit den neuen Möglichkeiten durch CRISPR / Cas9 hier wieder eine intensivere Diskussion aufflammt.
In derartigen Zweifelsfällen, die eine erhebliche Bedeutung für die Gesellschaft haben, muss die faktenbasierte Diskussion gesucht und ein ethischer Konsens gefunden werden.
Insbesondere, wenn die Vorbehalte ganze Technologien betreffen, ist es sinnvoll, die Diskussion von vornherein partizipativ auszugestalten und die Gesellschaft von Anfang an mit in die Verantwortung für den Diskussionsprozess zu nehmen. Ein Beispiel ist das Nanopodium in den Niederlanden, das die Regierung 2008 initiiert hat, um ethische, soziale, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte der Nanotechnologien zu diskutieren und zu verstehen, welche Bereiche der Technologie für die Bürger besonders kritisch bzw. wichtig sind. Die konkreten Aktivitäten wurden dabei in einem Bottom-up-Prozess von den Bürgern selbst organisiert. Der Erfolg des Nanopodium, mit dem mehr als eine Million Bürger erreicht wurde, liegt darin, dass es die Bürger dazu gebracht hat, sich direkt mit der Technologie auseinanderzusetzen und Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, etwa in Debatten und künstlerischen Projekten. Eine begleitende Umfrage zeigt, dass das Wissen der Befragten zur Nanotechnologie deutlich erhöht werden konnte.
Bei anderen Fragen wird Ethik zu kleinteilig ausgelegt: Es geht nicht um eine Spezialregelung für jeden Anwendungsfall, und es kann auch nicht alles verboten sein, was nicht durch eine Kommission abgesegnet ist. Hier muss von vornherein stärker differenziert und herausgearbeitet werden, was wirklich die Gesellschaft bzw. den Menschen in seinem Kern berührt, und wogegen sich die Vorbehalte richten. Die Grenze ist sicher erreicht, wenn es um den Einsatz von Algorithmen zur effizienteren Aussteuerung von Produktionsmaschinen geht: Für die Ölpumpenüberwachung braucht man keine Ethik-Regeln.
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