Die Informations- und Telekommunikationstechnologie nimmt eine Schlüsselstellung für die Entwicklung und die Vernetzung der anderen Technologiebereiche ein. Allerdings ist in wesentlichen Bereichen der IKT die deutsche und bayerische Wirtschaft ohne Bedeutung. Die Hardware und Chip-Produktion, die Produktion von IKT-Geräten für den Massenmarkt und die Softwareentwicklung (mit Ausnahme spezieller Bereiche) sind kaum existent. Dies führt zu einem geringen Einfluss auf die Setzung von Standards und die Definition von Schnittstellen. Trotz der guten Ausgangslage im Bereich des Maschinenbaus und der Produktionstechnologien ist die Abwesenheit relevanter IKT-Akteure ein Risiko für die weitere Entwicklung der bayerischen Schlüsselbranchen. Daher ist die Behebung des Mangels an systemführenden IT-Unternehmen ebenso eine wesentliche Herausforderung wie die Sensibilisierend aller Unternehmen für die Herausforderungen der Digitalisierung. Die bestehende staatliche Unterstützung muss sich auf allen Ebenen daran neu ausrichten.
Der Freistaat richtet aktuell ein Zentrum Digitalisierung.Bayern ein, in dem die Kompetenzen von Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Gründern gebündelt werden. Dieses Zentrum besteht aus einer Steuerungseinheit in Garching, der Schaffung von 20 Professuren und Forscherteams, die über ganz Bayern verteilt sind, sowie der Bildung von bis auf Weiteres fünf Plattformen, auf denen zu den wichtigsten Feldern der Digitalisierung geforscht werden soll und Netzwerke gebildet werden:
– Plattform Industrie 4.0
– Plattform Vernetzte Mobilität
– Plattform Digitale Gesundheitswirtschaft
– Plattform Energie
– Plattform IT-Sicherheit
Es ist sind zusätzliche Plattformen zu den Themen Digitale Arbeitswelt, Digitales Planen und Bauen sowie ggf. auch E-Government bzw. Verwaltung 4.0 erforderlich; bei Bedarf sind weitere Ergänzungen vorzunehmen. Um der wachsenden Bedeutung von Daten (Sicherheit, Sicherung, Verarbeitung und Verwertung) Rechnung zu tragen, müssen wir auf deutscher und europäischer Ebene Standards setzen und eigene Lösungen entwickeln. Das ist in sämtlichen Plattformen zu berücksichtigen.
Die Arbeit der Plattformen muss so organisiert werden, dass insbesondere der Mittelstand profitiert, Informationen über Chancen und Risiken der Digitalisierung erhält und diese in Produktion und Unternehmensalltag nutzen kann. Gleichzeitig muss die Arbeit des Zentrums und der Plattformen so gesteuert werden, dass sie zur Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Chancen und Potenzialen der Digitalisierung beiträgt.
Die Digitalisierung muss in der öffentlichen Verwaltung konsequent umgesetzt werden. Allen Bürgern und Unternehmen in Bayern muss unabhängig von ihrem Wohn- und Standort ein digitales Serviceangebot der Verwaltungen zur Verfügung stehen, mit dem sie einfach, schnell, sicher und rund um die Uhr ihre „Behördengänge“ online erledigen können. Es muss ein zentraler Zugang zu Verwaltungsleistungen geschaffen werden, unabhängig davon, ob es sich um eine staatliche oder kommunale Behörde handelt. Anzupassen ist auch der Rechtsrahmen für die digitale Kommunikation mit der Verwaltung; die Sicherheitsmaßnahmen (Datensicherheit, IT-Security) müssen laufend höchsten Anforderungen entsprechen. Die öffentliche Verwaltung darf mit den von ihr erhobenen (nicht personenbezogenen) Daten keine Wissensmonopole schaffen, sondern muss sie zur Nutzung freigeben (Open Data).
Wirtschaftsorganisationen müssen die Unternehmen beim digitalen Enabling unterstützen. Das beginnt beim Aufbau von Plattformen, geht über das Aufzeigen von Best-Practice-Beispielen, die Messung des Digitalisierungsgrades, eine Analyse von Potenzialen und Geschäftsmodellen bis hin zur Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern. Entsprechende Angebote werden derzeit durch die Metall- und Elektroarbeitgeber bayme vbm vorbereitet.
Solche Services für die Unternehmen – gerade kleinere und mittelständische Betriebe – sind in allen Wirtschaftsbereichen erforderlich. Hier sind einerseits andere Branchenverbände gefordert, vergleichbare Angebote zu schaffen, andererseits muss der Staat ergänzend dabei unterstützen, die Beispiele in die Fläche zu tragen.
Start-ups sind besonders geeignet, um kurze Innovationszyklen und teilweise disruptive Veränderungen durch digitale Technologien aufzugreifen. Damit können sie zugleich Schwächen (z.B. Reaktionszeiten, interne Verwaltungsabläufe) großer Unternehmen ausgleichen. Die staatliche Innovationspolitik muss daher in besonderem Maße Start-ups im IKT-Bereich erfassen.
IT-Sicherheit ist ein Zukunftsmarkt – und notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche digital-basierte Wertschöpfung –, auf dem wir mit unserem Know-how bei Technik einerseits und bei der Setzung rechtlicher Rahmenbedingungen und Zertifizierungsstandards andererseits von einer Spitzenposition aus starten. Flankiert werden muss dies durch branchenspezifische Weiterbildungen und Zertifizierungsangebote, um das Know-how in die Fläche zu tragen, beispielsweise mit Workshops zu Cyber-Security für Management und IT-Experten.
Ein weiteres Beispiel für eine eigene bayerische Entwicklung im Bereich Digitalisierung ist die Nutzung der 3D-Modellierung und -Visualisierung für den virtuellen „barrierefreien“ Besuch bayerischer Landschaften, Städte und Baudenkmäler über das schnelle Internet. Sie stärkt den Tourismus, spricht die breite Bevölkerung an und zeigt das technisch Machbare (u.a. Bewältigung von Big Data), hat aber auch für viele andere Bereiche Bedeutung, etwa den Denkmalschutz, städtebaulichen Maßnahmen, Outdoor-Navigation, die Bergrettung und den Polizeieinsatz. Zahlreiche weitere Einsatzmöglichkeiten für 3D-Anwendungen bestehen beispielsweise auch im Produktionsbereich.