Der Staat muss einen Rechtsrahmen schaffen, der mindestens so innovationsfreundlich und zukunftsorientiert ist wie die Menschen und Unternehmen, die wir für die Spitzenforschung und die Entwicklung weltweit erfolgreicher Anwendungen aus technologischen Neuerungen brauchen.
Die Studie TechCheck 2019. Erfolgsfaktor Mensch. zeigt, dass ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Regulierung und Innovationstätigkeit besteht. Während Deutschland in bestimmten Aspekten des weiten Felds „Qualität der Regulierung“ sehr gut dasteht (Rechtssicherheit, Stabilität des politischen Systems etc.), schneiden wir uns in anderen Bereichen selbst Chancen ab, etwa durch das weit überdurchschnittliche Niveau der Unternehmensbesteuerung, hohe Arbeitskosten und die Unflexibilität unseres Arbeitsrechts.
Vieles von dem, was als neue Regulierungsgegenstände diskutiert wird, regelt das heutige Recht bereits zufriedenstellend, bzw. kann im Rahmen der Vertragsfreiheit zwischen den Beteiligten gestaltet werden. Darüber hinaus muss auch das geltende Recht auf mögliche vermeidbare Hemmnisse überprüft und bei Bedarf angepasst werden. In den bisherigen Handlungsempfehlungen wurden bereits viele Aspekte hervorgehoben, darunter die Haftung für autonome Systeme und den KI-Einsatz, die weiter ihre Gültigkeit behalten.
Insbesondere der Einsatz digitaler Technologien führt dazu, dass Arbeit immer weniger an einen festen Ort und starre Zeitfenster gebunden ist und in zunehmend agilen Strukturen und Abläufen stattfindet. Plattformen, Coworking Spaces und ähnliche neue Formen der Kooperation von internen und externen Spezialisten ermöglichen flexibles Arbeiten. Das entspricht sowohl den Präferenzen vieler Arbeitnehmer als auch den Anforderungen an die Unternehmensorganisation in einem dynamischen und volatilen Umfeld.
Der Rechtsrahmen muss an diese modernen Formen der Arbeit angepasst werden. Viele der hoch qualifizierten Fachkräfte wandern sonst ins Ausland ab, wo sie so arbeiten dürfen, wie sie arbeiten wollen, und bringen dort ihr Spezialwissen ein. Das gilt es zu verhindern.
Bereits in den Handlungsempfehlungen von 2017 hat der Zukunftsrat daher betont, dass das Arbeitszeitrecht dringend modernisiert werden muss. Erster Schritt ist die Ausschöpfung des europarechtlichen Spielraums, wonach eine wochen- statt tages-bezogene Betrachtung möglich ist. Im Rahmen der branchenübergreifenden vbw- Kampagne So möchte ich arbeiten! haben Arbeitnehmer verdeutlicht, warum das gerade auch in ihrem Interesse ist.
Die größere Flexibilität muss für alle Unternehmen gelten, unabhängig von der Tarifbindung. Der Handlungsbedarf ist hier nicht geringer geworden; mit der Entscheidung des EuGH zur Arbeitszeiterfassung droht ein weiterer Verlust an Flexibilität im ohnehin unzeitgemäßen deutschen Arbeitsrecht. Ein zu rigides Arbeitszeitsystem ist ein abschreckendes Signal auch für Startups und deren Mitarbeiter: Die größtmögliche Absicherung vor Mehrarbeit oder Arbeit zu einer staatlich definierten „Unzeit“ geht an der Lebenswirklichkeit und an den Einstellungen einer ergebnisorientierten und intrinsisch motivierten Kultur völlig vorbei.
Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen internen und externen Experten können im derzeitigen Rahmen nicht rechtssicher gestaltet werden, weil Fragen von Weisungsrechten, der betrieblichen Eingliederung, der Eingruppierung und Versetzung sowie des Arbeitsschutzes nicht abschließend geklärt sind. Es muss daher gesetzlich klargestellt werden, in welchen Fällen kein Arbeitsverhältnis und ggf. auch keine Pflicht des Auftraggebers zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen begründet werden.
Parallel zu den Möglichkeiten, sich seinen Arbeitsort selbst auszusuchen und seine Zeit einzuteilen, muss der Arbeitnehmer auch mehr Eigenverantwortung übernehmen (dürfen). Die Verantwortung des Arbeitgebers kann nicht weiter reichen als seine mögliche Kenntnis von eventuellen Gefährdungs- oder Belastungssituationen. Das gilt insbesondere auch für die Pflichten nach der Arbeitsstättenverordnung: Es liegt weder im Interesse des Beschäftigten noch des Arbeitgebers, die Ergonomie des frei gewählten mobilen Arbeitsplatzes im Rahmen regelmäßiger Begehungen zu überprüfen.
Der Aufgabenbereich des Betriebsrats muss auf diejenigen Gebiete beschränkt werden, die tatsächlich die Interessen der Mitarbeiter berühren. Der überzogene Fokus auf die Vermeidung jeder denkbaren vermeintlichen Missbrauchsmöglichkeit bremst technologischen Fortschritt in den Unternehmen aus. Stattdessen sollte der Schwerpunkt auf der Missbrauchskontrolle liegen.
Probleme bereitet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates insbesondere bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, zumal die Rechtsprechung dieses Mitbestimmungsrecht sehr weit auslegt. Danach ist die Mitbestimmung schon dann geboten, wenn technische Einrichtungen für eine Kontrolle der Arbeitnehmer lediglich geeignet sind, ohne dass dies tatsächlich ihr Zweck sein müsste. Diese abstrakte Eignung haben nahezu jede Software und die entsprechenden Updates. Das Mitbestimmungsrecht muss auf Anwendungen beschränkt werden, die tatsächlich eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Mitarbeiter bezwecken.
Die Zustimmung des Betriebsrats darf nicht erforderlich sein, wenn sich die Arbeitsaufgaben einzelner Mitarbeiter aufgrund neuer technischer Rahmenbedingungen weiterentwickeln. Der Betriebsrat muss derzeit jeder Versetzung zustimmen, also wenn einem Arbeitnehmer ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wird und dies mit einer Veränderung der Arbeitsumstände verbunden ist. Dafür reicht es schon aus, wenn sich die Arbeitsanforderungen durch den technischen Fortschritt ändern. Gerade hier ist oft eine schnelle Reaktion geboten, um mit der weltweiten Konkurrenz Schritt zu halten. Der Versetzungsbegriff muss daher geändert werden. Auch das Mitbestimmungsrecht bei Arbeitszeitänderungen muss angepasst werden, da schon heute die Arbeitszeitregelungen durch eine veränderte Arbeitsorganisation immer komplexer werden.
Das Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Gruppenarbeit darf sich insbesondere nicht mehr auf die Regelung der internen Arbeitsorganisation und die Zusammenarbeit der Gruppe beziehen, um nicht die erforderliche Agilität der Unternehmen zu hemmen.
Nicht nur in der Forschungs- und Förderpolitik (vgl. Kachel 02.3), sondern ganz generell muss Regulierung Technologieoffenheit gewährleisten. Es hat sich selten bewährt, wenn der Staat versucht, neben den Zielen auch die zulässigen technologischen Mittel für deren Erreichung festzulegen. Gerade auf sich sehr dynamisch verändernden Feldern werden anderenfalls Innovationen ausgebremst, ohne die Zielerreichung zu verbessern. Aktuelles Beispiel ist die Regulierung im Bereich Blockchain- Technologie, deren Förderung sich sowohl der Bund als auch der Freistaat Bayern verschrieben haben. Ein Haupthindernis für den Einsatz in der Praxis sind neben Datenschutzfragen diverse Formvorschriften, die ersichtlich nicht auf eine dezentrale Organisation ausgelegt sind und jedenfalls öffentliche Blockchains regelmäßig ausschließen.
Auch in weiteren Bereichen muss geprüft werden, wo bestehende Regulierung das Erreichen übergeordneter Ziele (Missionen) unnötig erschwert. Das gilt z. B. für den gesamten Bereich der Energiewende bzw. des Klimaschutzes (z. B. CO2-Abscheidung und -Speicherung) und neue Angebote im Verkehr (z. B. Drohnen, Flugtaxis) oder die kontrollierte grüne Gentechnik.
Der verbreitete Wunsch, große, teilweise marktbeherrschende und in aller Regel außereuropäische Plattformen in ihrem Einfluss zurückzudrängen, darf keine unüberlegten Abwehrreflexe des nationalen oder europäischen Gesetzgebers auslösen. Ob es um die Besteuerung der digitalen Wirtschaft oder Forderungen nach einer Offenlegung von Daten und Algorithmen geht: Stärker betroffen sind letztlich auch oder überwiegend die oft noch im Aufbau befindlichen eigenen Anbieter. Insbesondere in den Handlungsempfehlungen 2016 und 2017 wurde bereits beschrieben, dass der geltende Rechtsrahmen in aller Regel zu befriedigenden Ergebnissen führt und jede neue Regelung einer fundierten Rechtfertigung bedarf. Weder für digitale Plattformen noch für die Transparenz von Algorithmen ist ein dringender Handlungsbedarf ersichtlich.