Unternehmensgründungen haben einen wichtigen Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Den Beitrag kann man nicht nur in klassischen volkswirtschaftlichen Kennzahlen messen, er liegt auch in der Vernetzung und im Wissenstransfer. Während Kapitalgeber ihr Netzwerk und ihr Know-how zur Verfügung stellen und etablierte Unternehmen als Kooperationspartner zudem Marktzugänge schaffen, hilft der Umgang mit Start-ups ihnen umgekehrt dabei, Technologien, Wissen und Unternehmenskultur sowie agile Arbeitsmethoden weiterzuentwickeln. Es geht nicht nur darum, das nächste „Einhorn“ (Startup mit einer Marktbewertung von mindestens einer Milliarde Dollar) zu finden, sondern Zugang zu einer anderen Herangehensweise und neuen technologischen Trends zu bekommen. Dazu gehört für den Staat auch, Gründer aktiv in die Suche nach Lösungen für zentrale Herausforderungen einzubinden.
Die Bayern Kapital GmbH hat seit ihrer Gründung 1995 als hundertprozentige Tochter der LfA Förderbank Bayern mehr als 290 Millionen Euro Beteiligungskapital in knapp 270 innovative technologieorientierte Unternehmen mit einem Standort in Bayern investiert. Der 2015 hinzugekommene Wachstumsfonds Bayern ermöglicht eine Investition von bis zu 8 Millionen Euro pro Unternehmen für besonders potenzialträchtige Startups. Dieser Wachstumsfonds muss auch in den kommenden Jahren fortgesetzt und mit entsprechenden Haushaltsmitteln hinterlegt werden.
Die Rahmenbedingungen für private Investitionen in Start-ups müssen verbessert werden. Gerade für institutionelle Anleger müssen Anreize gesetzt werden.
In Europa steht volumenmäßig deutlich weniger Wagniskapital (Venture Capital, VC) zur Verfügung als in Asien und den USA (vgl. Abbildung unten). Im Jahr 2018 haben Investoren rund 4,6 Mrd. Euro in deutsche Start-ups gesteckt, rund sieben Prozent mehr als 2017. Sowohl bei der Gesamtsumme als auch bei der Anzahl der finanzierten Unternehmen liegt Berlin mit deutlichem Abstand vorne, gefolgt von Bayern und Hamburg. In Bayern und Hamburg haben sich allerdings die Investitionen von 2017 zu 2018 verdoppelt (Bayern: von 407 auf 802, Hamburg sogar von 230 auf 548), während sie in Berlin im selben Zeitraum gesunken sind (von 2.969 auf 2.613 Mio. Euro). Von den Sektoren profitiert in Deutschland derzeit noch der Bereich E-Commerce am stärksten, gefolgt von Fintech und Software / Analytics, Mobilität und Gesundheit. Bei den weitaus meisten Finanzierungsrunden in den letzten Jahren (369 von 498 in 2017, 427 von 587 in 2018) ging es um Gesamtsummen von 5 Mio. Euro und weniger; nur bei jeweils sechs Unternehmen (also rund einem Prozent) ging es um mehr als 100 Mio. Euro.

Der Unterschied zwischen Europa, Asien und den USA tritt sogar noch deutlicher zutage, wenn es um die späteren Phasen der Unternehmensgründung geht (vgl. Abbildung unten).

In Finanzierungsrunden unter Beteiligung ausländischer Investoren wird fast viermal so viel Kapital in technologieintensive europäische Wachstumsunternehmen investiert wie in rein inländischen Runden. Die ausländischen Investitionen in inländische Start-ups sind wichtig, zumal die Geldgeber neben den finanziellen Mitteln auch Kontakte und Know-how für die Internationalisierung mitbringen. So sind die Unternehmen mit ausländischen Investoren wirtschaftlich erfolgreicher. Sie werden zu ca. zwei Drittel auch an ausländische Investoren verkauft bzw. gehen im Ausland an die Börse. Das mag jedenfalls zum Teil an einer besseren, gezielteren Auswahl liegen, sicher aber auch an einer kompetenten Unterstützung.
Daneben müssen auch die Investitionen aus dem Inland gestärkt werden. Deutsche High Tech Start-ups dürfen künftig nicht mehr nur deshalb auf ausländische Kapitalgeber angewiesen sein, weil keine inländischen zur Verfügung stehen – dies führt letztlich zu einer Abwanderung von Know-how und Wertschöpfung. Dazu bieten sich mehrere parallele Instrumente an (Vgl. Abbildung unten), die parallel eingeführt bzw. gestärkt werden müssen.

Das in Start-ups häufig genutzte Instrument der Mitarbeiterbeteiligung spielt (wie bei vielen etablierten Unternehmen) auch eine wichtige Rolle für die Fachkräftesicherung und die Stabilisierung des jungen Unternehmens. Die gemeinsame Entwicklung von Standardverträgen durch die entsprechenden Verbände, Gründerzentren und staatlichen Stellen würde Unsicherheiten in rechtlicher und steuerlicher Sicht ausräumen.
Kurzzeitig hat sich die Ausgabe von sogenannten Token (digitale „Gutscheine“, die auf den Börsen für Kryptowährungen handelbar sind) unter Verwendung der Blockchain- Technologie als neue Form des Crowdfunding einiger Beliebtheit erfreut, auch bekannt unter dem Schlagwort Initial Coin Offering. Im Jahr 2017 wurden auf diese Weise rund sechs Milliarden Dollar eingesammelt. Investoren erhalten in der Regel keine Mitbestimmungsrechte und tragen das unternehmerische Risiko (aber auch die Chancen) über die Wertveränderung des Tokens voll mit. Für Start-ups war an dem Modell vor allem der geringe bürokratische Aufwand attraktiv. Zwischenzeitlich haben die Aufsichtsbehörden sowohl in den USA als auch in Deutschland reagiert: die BaFin prüft nunmehr im Einzelfall, ob es sich um ein Wertpapier oder eine Vermögensanlage handelt; in beiden Fällen greift dann die Regulierung ein. Die Gewährleistung eines Level Playing Fields ist richtig; trotzdem sollte geprüft werden, ob Erleichterungen geschaffen werden können, die insgesamt dazu führen, Crowdinvesting noch attraktiver zu machen.
Das Steuerrecht bietet einige weitere Ansatzpunkte, die genutzt werden müssen, um das Gründungsgeschehen am Standort zu fördern.
Bei neu gegründeten Unternehmen sollte auf die Pflicht zur generellen Abgabe von monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen verzichtet werden, um die jungen Unternehmen von Aufwand und Kosten zu entlasten.
Vorschriften zum Verlustuntergang (Untergang bisher aufgelaufener Verlustvorträge bei Anteilseignerwechsel) müssen – letztlich für alle Unternehmen – dahingehend angepasst werden, dass die Ausnahmeregelungen für innovative Unternehmen auch bei Veränderungen des Geschäftsmodells eingreifen.
Die Regeln zur Mindestbesteuerung müssen überarbeitet werden: Sie führen derzeit dazu, dass Start-ups Steuern zahlen müssen, sobald sich erste signifikante Erträge einstellen, obwohl aus den Vorjahren noch Verluste in den Büchern stehen. Das belastet die Bilanz und beeinträchtigt gegebenenfalls die Möglichkeit, weitere Entwicklungsschritte zu finanzieren.
Einen Impuls für Wagniskapital gäbe es, wenn die Wagniskapitalgeber ihre Aufwendungen für Investments in junge, innovative Unternehmen (Gründungsfinanzierungen und Anteilswerber) steuerlich sofort geltend machen könnten, weil das Risiko dadurch abgefedert würde. Wenn sich das Investment profitabel entwickelt, wird der Sofortabzug durch die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen wieder ausgeglichen.
Die Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltungstätigkeit bestimmter Fondsverwaltungsgesellschaften sollte auf Venture-Capital-Fonds erweitert werden, um faire Wettbewerbsbedingungen mit ausländischen Wettbewerbern herzustellen.
Auch für Kleinanleger (z. B. im Rahmen eines Crowdfunding) müssen bessere Anreize gesetzt werden. Derzeit werden sie zwar nicht steuersystematisch benachteiligt, wohl aber faktisch, weil sie mangels Masse regelmäßig nicht die Möglichkeit haben, Verluste aus ihren Investments mit Gewinnen aus anderen Kapitalerträgen zu verrechnen. Zu prüfen ist hier die Einführung eines Freibetrags, bis zu dem im Privatvermögen entstandene Verluste aus Kapitalanlagen mit positivem Einkommen aus anderen Einkommensarten verrechnet werden können.
Gerade im Hightech-Bereich muss der Staat dafür Sorge tragen, dass eine Gründung nicht an der infrastrukturellen Ausstattung für die Entwicklung scheitert. Teuer ist diese in allen klassischen Wissenschaften bzw. überall dort, wo es um stoffliche Handhabung geht. Technische Gerätschaften auf Spitzenniveau (u. a. Laborausstattung, Messtechnik etc.) müssen für Startups und junge Unternehmen zugänglich sein. Sie sollten ebenso bei der Durchführung von Tests und Zertifizierungsverfahren unterstützt werden. Entwicklung auf Spitzenniveau und Technologietransfer muss auf allen Zukunftsfeldern möglich sein, beispielsweise in der Nanotechnologie. Dazu gehört auch, einzelnen Start-ups Zugang zum Supercomputer des LRZ zu gewähren, um dort ihre Anwendungen entwickeln und testen zu können. Privatfinanzierte oder kofinanzierte Gründerzentren nach dem Vorbild von Playground Global – einer Mischung aus Venture-Fonds, Inkubator und Entwicklungszentrum für Hard- und Software – wären eine sinnvolle Ergänzung. Ziel ist es, Ressourcen (z. B. Hardware wie verschiedene Typen von 3D-Druckern, Sensoren, mechatronische Elemente, aber auch neueste Software-Tools), Betreuung und Finanzierung von Start-ups aus einer Hand bereitzustellen. Den Bedarf müssen staatliche Stellen gemeinsam mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft definieren. Generell sind Co-Funding-Strukturen zu etablieren bzw. erste vorhandene Ansätze zu stärken
Wie schon in allen vergangenen Handlungsempfehlungen betont, muss der Staat weiter seinen Beitrag dazu leisten, Gründer und junge Unternehmen mit den etablierten Unternehmen zusammenzubringen. Gerade am Standort Bayern liegt eine für die Gründerszene relevante besondere Stärke in der Präsenz einer starken Industrie, aber auch wichtiger Dienstleistungsschwerpunkte etwa im Bereich des Finanz- und Versicherungswesens. Zur Vernetzung gehört auch, Unternehmen auf den Campus der Universitäten zu holen.
Die Kompetenzen in den zahlreichen Gründerzentren müssen besser genutzt werden, um Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu finden. Wettbewerbe und Ausschreibungen haben sich hierfür als probates Mittel erwiesen. Bei größer angelegten Diskussionsforen wie dem Energiegipfel oder dem Zukunftsforum Automobil sollte die Einbindung von Start-ups in die Ideenfindung und Lösungsentwicklung zum Standard werden.