Bil­dungs­sys­tem

Im ge­sam­ten Bil­dungs­sys­tem, ins­be­son­de­re auch an den all­ge­mein­bil­den­den Schu­len, muss ein noch stär­ke­rer Fo­kus dar­auf ge­rich­tet wer­den, ein Ver­ständ­nis für Zu­sam­men­hän­ge zu we­cken. Das gilt für das Wirt­schafts­sys­tem im Gan­zen wie für be­stimm­te grund­le­gen­de Struk­tu­ren, z. B. die En­er­gie­ver­sor­gung.

Di­gi­ta­le Kom­pe­ten­zen auf al­len Ebe­nen des Bil­dungs­sys­tems sind un­ab­ding­bar. Die Hand­lungs­emp­feh­lun­gen von 2017 (Neue Wert­schöp­fung durch Di­gi­ta­li­sie­rung) müs­sen kon­se­quent um­ge­setzt wer­den. Der von der vbw in­iti­ier­te Ak­ti­ons­rat Bil­dung hat mit sei­nem Gut­ach­ten von 2018 (Di­gi­ta­le Sou­ve­rä­ni­tät und Bil­dung) wich­ti­ge kon­kre­te An­sät­ze auf­ge­zeigt. Er stellt dar­in die Be­deu­tung di­gi­ta­ler Kom­pe­ten­zen als „4. Kul­tur­tech­nik“ her­aus und for­dert ei­ne um­fas­sen­de Re­for­mie­rung des Bil­dungs­sys­tems mit dem Ziel der Ver­mitt­lung di­gi­ta­ler Sou­ve­rä­ni­tät. Di­gi­ta­le Sou­ve­rä­ni­tät be­deu­tet, dass je­der Ein­zel­ne be­fä­higt sein soll, di­gi­ta­le Me­di­en selbst­be­stimmt und un­ter ei­ge­ner Kon­trol­le zu nut­zen und sich an die stän­dig wech­seln­den An­for­de­run­gen in ei­ner di­gi­ta­li­sier­ten Welt an­zu­pas­sen. So­mit bil­det die di­gi­ta­le Sou­ve­rä­ni­tät ei­ne we­sent­li­che Vor­aus­set­zung für die ge­sell­schaft­li­che Teil­ha­be so­wie für un­se­re jet­zi­ge und künf­ti­ge Wett­be­werbs­fä­hig­keit. Au­ßer­dem bie­ten di­gi­ta­le Me­di­en viel­fäl­ti­ge Mög­lich­kei­ten, um die Qua­li­tät des Leh­rens und Ler­nens zu ver­bes­sern.

 

Wich­ti­ge Maß­nah­men, die in­ner­halb ei­nes Ge­samt­kon­zepts zur di­gi­ta­len Bil­dung par­al­lel und ver­zahnt um­ge­setzt wer­den müs­sen

 

  • in­ten­si­ver Aus­bau der di­gi­ta­len In­fra­struk­tur an Schu­len, Be­rufs­schu­len und Hoch­schu­len
  • fes­te Ver­an­ke­rung ei­ner di­gi­ta­len Grund­bil­dung in den all­ge­mein­bil­den­den Schu­len, den Aus­bil­dungs­be­ru­fen und in je­dem Stu­di­en­gang
  • di­gi­ta­le Kom­pe­ten­zen auch bei der Ar­beit­neh­mer­wei­ter­bil­dung stär­ken und för­dern
  • sys­te­ma­ti­sche Im­ple­men­tie­rung di­gi­ta­ler Lehr- und Lern­in­hal­te an al­len Bil­dungs­ein­rich­tun­gen
  • in der Aus- und Wei­ter­bil­dung des päd­ago­gi­schen Per­so­nals ei­ne deut­li­che Schwer­punkt­set­zung auf das di­gi­ta­le Leh­ren und Ler­nen le­gen
  • flä­chen­de­cken­des tech­ni­sches und me­di­en­päd­ago­gi­sches Un­ter­stüt­zungs­an­ge­bot für Bil­dungs­ein­rich­tun­gen schaf­fen
  • In­ten­si­vie­rung des For­schungs­be­reichs „Di­gi­ta­li­sie­rung in der Bil­dung“

 

Es muss fort­lau­fend ge­prüft wer­den, wel­che neu­en As­pek­te in die Bil­dungs­an­ge­bo­te auf­zu­neh­men sind, et­wa im Hin­blick auf künst­li­che In­tel­li­genz und die Mensch-Ma­schi­ne-In­ter­ak­ti­on. Die­se The­men müs­sen ins­be­son­de­re auch in die be­ruf­li­che Bil­dung be­rufs­spe­zi­fisch in­te­griert wer­den. Die Di­gi­ta­li­sie­rung der Schu­len und Hoch­schu­len (be­darfs­ge­rech­te In­fra­struk­tur­aus­stat­tung und Qua­li­fi­zie­rung der Lehr­kräf­te) muss mit Nach­druck vor­an­ge­trie­ben wer­den. Die vbw Stu­dien Di­gi­ta­le Bil­dung an baye­ri­schen Schu­len (2017) und Di­gi­ta­le Bil­dung an baye­ri­schen Hoch­schu­len (2018) ge­ben ei­nen Über­blick über den Stand der di­gi­ta­len Bil­dung und zei­gen not­wen­di­ge Re­form­schrit­te auf.

 

Auch die Ver­mitt­lung al­go­rith­mi­schen Den­kens ist Teil der di­gi­ta­len Sou­ve­rä­ni­tät, die auf al­len Ebe­nen des Bil­dungs­sys­tems ver­mit­telt wer­den muss. Hier geht es dar­um, ein Grund­ver­ständ­nis von den Me­cha­nis­men zu ver­mit­teln, die un­ser All­tags- und Be­rufs­le­ben in zu­neh­men­dem Ma­ße prä­gen. Staat und Ver­wal­tung sind eben­falls auf ent­spre­chen­den Sach­ver­stand an­ge­wie­sen.

All­ge­mein­bil­den­de Schu­len kön­nen nicht für je­de tech­no­lo­gi­sche Neue­rung spe­zi­el­le Kennt­nis­se und Fä­hig­kei­ten ver­mit­teln. Der Fo­kus muss da­her noch stär­ker auf der stra­te­gi­schen Über­le­gung lie­gen, wel­che Grund­kom­pe­ten­zen not­wen­dig sind. Ziel ist ei­ne brei­te Ba­sis, auf der ei­ne spä­te­re Ver­tie­fung in be­son­de­ren schu­li­schen An­ge­bo­ten, Aus­bil­dung und Stu­di­um auf­bau­en kann. Im­mer wich­ti­ger wird die Fä­hig­keit, Zu­sam­men­hän­ge zu er­ken­nen und The­men ganz­heit­lich zu be­trach­ten.

 

Ver­mit­telt wer­den muss vor al­lem die Kom­pe­tenz, Sach­ver­hal­te ein­zu­ord­nen und In­for­ma­tio­nen zu be­wer­ten. Da­zu müs­sen kei­ne neu­en Schul­fä­cher ge­schaf­fen wer­den – be­stehen­de In­hal­te kön­nen an­hand ent­spre­chen­der Bei­spie­le er­ar­bei­tet wer­den, z. B. im Ma­the­ma­tik- oder auch im Geo­gra­fie­un­ter­richt. Gleich­zei­tig wer­den da­durch die me­tho­di­schen Lern­in­hal­te kon­kre­ter und plas­ti­scher. Ge­stärkt wer­den muss da­bei auch die An­wen­dungs­kom­pe­tenz, ge­ra­de in der Ver­net­zung ver­schie­de­ner Fä­cher be­zie­hungs­wei­se mit fä­cher­über­grei­fen­den The­men und Fra­ge­stel­lun­gen.

Auf die Fä­hig­keit zur Ver­mitt­lung von Zu­sam­men­hän­gen und zur Be­wer­tung von In­for­ma­tio­nen (z. B. Ein­schät­zung von Wahr­schein­lich­kei­ten, Chan­cen und Ri­si­ken) muss in der Qua­li­fi­zie­rung ein noch stär­ke­rer Fo­kus ge­legt wer­den (vgl. Aus­klap­per 2).

 

Für die Fort­bil­dung der In­for­ma­tik-Leh­rer an den all­ge­mein­bil­den­den Schu­len und die Ver­mitt­lung von Grund­kennt­nis­sen an das ge­sam­te Lehr­per­so­nal müs­sen die be­stehen­den An­ge­bo­te (z. B. Aka­de­mie für Leh­rer­aus­bil­dung in Dil­lin­gen) wei­ter ge­stärkt und die Zu­sam­men­ar­beit mit den Hoch­schu­len in­ten­si­viert wer­den. Der Staat muss auch den Uni­ver­si­tä­ten die Mit­tel zur Ver­fü­gung stel­len, um die­se Auf­ga­be er­fül­len zu kön­nen. Grund­la­ge ist ei­ne um­fas­sen­de Per­so­nal­pla­nung für die Ver­mitt­lung der in­halt­li­chen Kennt­nis­se und me­di­en­päd­ago­gi­schen Fä­hig­kei­ten.

Für ei­ne bes­se­re Im­ple­men­tie­rung neu­er Tech­no­lo­gi­en im Un­ter­neh­men wer­den Schnitt­stel­len­kom­pe­ten­zen ge­braucht, de­ren Er­werb ge­zielt auf­ge­baut wer­den muss. Ins­be­son­de­re im Rah­men der di­gi­ta­len Trans­for­ma­ti­on be­nö­ti­gen Un­ter­neh­men zu­neh­mend Mit­ar­bei­ter, die tech­ni­sche Kennt­nis­se mit di­dak­ti­schem Know-how kom­bi­nie­ren, fach­über­grei­fend agie­ren und Pro­zes­se be­herr­schen kön­nen (vgl. Ka­chel 01.3).

 

Mit dem Mo­dell­pro­jekt „IT- / Di­gi­ta­li­sie­rungs­päd­ago­ge“ der Re­gio­nal­di­rek­ti­on der Bun­des­agen­tur für Ar­beit und der vbw wird ak­tu­ell ein Kon­zept ge­tes­tet, das ar­beits­su­chen­den (tech­ni­kaf­fi­nen) Aka­de­mi­kern die Mög­lich­keit er­öff­net, das Spek­trum des ei­ge­nen Be­rufs­felds zu er­wei­tern und ei­nen neu­en Ar­beits­markt­be­reich zu er­schlie­ßen. Ziel ist, die Un­ter­neh­men bei der Ge­stal­tung von di­gi­ta­ler Trans­for­ma­ti­on und un­ter­neh­mens­spe­zi­fi­scher Qua­li­fi­zie­rungs­maß­nah­men zu un­ter­stüt­zen. Bei ei­nem er­folg­rei­chen Ab­schluss des Pro­jekts wird ei­ne Über­füh­rung in die Re­gel­struk­tu­ren und ei­ne bun­des­wei­te Um­set­zung des Kon­zepts an­ge­strebt.

Steu­er­li­che An­rei­ze sind ein sinn­vol­les und ein­fach um­setz­ba­res Mit­tel, um das not­wen­di­ge In­ves­ti­ti­ons­ge­sche­hen in Aus­bil­dungs­stät­ten an­zu­sto­ßen. Zu den­ken ist vor al­lem an ei­ne de­gres­si­ve AfA und an Son­der­ab­schrei­bun­gen.

 

Auch im Be­reich der Wei­ter­bil­dung sind steu­er­li­che Maß­nah­men ge­bo­ten, um an­ge­sichts der tief­grei­fen­den Um­wäl­zun­gen vor al­lem im Rah­men der di­gi­ta­len Trans­for­ma­ti­on zu­sätz­li­che An­rei­ze zu set­zen. Ar­beit­ge­ber kön­nen Kos­ten für die Fort­bil­dung ih­rer Be­schäf­tig­ten bis­her voll als Be­triebs­aus­ga­ben ab­set­zen – we­nigs­tens für ei­nen mehr­jäh­ri­gen Über­gangs­zeit­raum soll­te ein über­pro­por­tio­na­ler Ab­zug, z. B. 120 Pro­zent, er­mög­licht wer­den. Die Be­schäf­tig­ten ih­rer­seits kön­nen Wei­ter­bil­dun­gen als Wer­bungs­kos­ten ab­set­zen, müs­sen aber eben­falls zu­sätz­li­che An­rei­ze be­kom­men, zu­mal sich bis zum Er­rei­chen der Wer­bungs­kos­ten­pau­scha­le ein be­son­de­res En­ga­ge­ment steu­er­lich bis­her nicht rech­net.

Die be­ruf­li­che Bil­dung leis­tet ei­nen ele­men­ta­ren Bei­trag, wenn es dar­um geht, die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der baye­ri­schen Wirt­schaft zu er­hal­ten. Grund­la­ge da­für ist ih­re kon­ti­nu­ier­li­che Wei­ter­ent­wick­lung, um ge­sell­schaft­li­chen und wirt­schaft­li­chen Struk­tur­ent­wick­lun­gen ge­recht zu wer­den und die Si­che­rung und Op­ti­mie­rung von Qua­li­täts­pro­zes­sen vor­an­zu­trei­ben. In vie­len Bran­chen gibt es Neu­ord­nungs­ver­fah­ren bzw. sind die­se be­reits ab­ge­schlos­sen – et­wa der­zeit bei den IT-Be­ru­fen vor­aus­sicht­lich zum 01. Au­gust 2020 oder schon zum 01. Au­gust 2018 im M+E-Be­reich. Die zum 01. Au­gust 2018 in Kraft ge­tre­te­nen elf mo­der­ni­sier­ten M+E-Aus­bil­dungs­be­ru­fe so­wie sie­ben op­tio­na­le Zu­satz­qua­li­fi­ka­tio­nen sind ein Bei­spiel für die ge­lun­ge­ne Wei­ter­ent­wick­lung der Aus­bil­dungs­be­ru­fe im Hin­blick auf die Her­aus­for­de­run­gen der di­gi­ta­len Trans­for­ma­ti­on, de­ren Nut­zung es fort­lau­fend zu be­glei­ten gilt.

 

Da­mit noch mehr Fle­xi­bi­li­tät in der Aus­bil­dung mög­lich wird, kann im Rah­men an­ste­hen­der Über­ar­bei­tun­gen von Be­ru­fen ei­ne Glie­de­rung der Aus­bil­dung in Aus­bil­dungs­bau­stei­ne ei­ne Op­ti­on dar­stel­len, wenn die So­zi­al­part­ner dies wol­len. Zur Stär­kung der At­trak­ti­vi­tät der be­ruf­li­chen Bil­dung braucht es ei­ne Ver­zah­nung von aka­de­mi­scher und be­ruf­li­cher Be­rufs­aus­bil­dung. Mo­der­ne und zu­kunfts­ori­en­tier­te Be­rufs­pro­fi­le kön­nen sich bei­spiels­wei­se durch die Mög­lich­keit des Er­werbs von Zu­satz­qua­li­fi­ka­tio­nen oder an­re­chen­ba­rer Mo­du­le für ein spä­te­res Stu­di­um aus­zeich­nen.

 

Auch der dua­le Part­ner Be­rufs­schu­le muss sich für die ra­sant wach­sen­de, glo­bal ver­netz­te In­for­ma­ti­ons- und Ar­beits­welt rüs­ten. Des­halb müs­sen die Be­rufs­schu­len den Aus- und Wei­ter­bil­dungs­stand ih­rer Lehr­kräf­te, ih­re in­ne­re Füh­rungs­struk­tur und ih­ren Qua­li­täts­stan­dard stän­dig über­prü­fen und wei­ter­ent­wi­ckeln. Es müs­sen neue Lehr- und Lern­me­tho­den von al­len Lehr­kräf­ten ge­übt und in der Un­ter­richts­pra­xis ein­ge­setzt wer­den. Be­rufs­schul­leh­rer und Be­rufs­aus­bil­der ste­hen häu­fig vor ähn­li­chen Pro­ble­men. Um den Aus­tausch und die Zu­sam­men­ar­beit zu in­ten­si­vie­ren, soll­ten sie ver­mehrt ge­mein­sam den Wei­ter­bil­dungs­be­darf fest­le­gen, pla­nen und durch­füh­ren.

Das An­ge­bot an be­rufs­be­glei­ten­den Qua­li­fi­zie­rungs­op­tio­nen, wie z. B. Mo­dul­stu­di­en, Zer­ti­fi­kats­stu­di­en­gän­ge, di­gi­ta­len Na­no De­grees (und be­rufs­be­glei­ten­de Ba­che­lor- Stu­di­en­gän­ge), ist wei­ter zu stär­ken und ge­zielt aus­zu­bau­en, ins­be­son­de­re in den MINT-Fä­chern. Na­no De­grees sind On­line- An­ge­bo­te von Wei­ter­bil­dungs­platt­for­men wie Uda­ci­ty, die be­rufs­be­glei­tend oder ne­ben dem Haupt­stu­di­um be­legt wer­den kön­nen und ak­tu­el­les Wis­sen bei­spiels­wei­se in be­stimm­ten Pro­gram­mier­spra­chen oder in spe­zi­el­len An­wen­dungs­fel­dern (z. B. Da­ta Vi­sua­liza­t­i­on, Cloud De­ve­l­oper) ver­mit­teln und mit ei­nem Zer­ti­fi­kat ab­schlie­ßen. Vor­tei­le die­ser An­ge­bo­te sind die im Ver­gleich zu Lehr­plä­nen deut­lich hö­he­re Re­ak­ti­ons­ge­schwin­dig­keit beim Auf­grei­fen neu­er In­hal­te und die Pra­xis­ori­en­tie­rung bei in Ko­ope­ra­ti­on mit der In­dus­trie er­stell­ten Mo­du­len.