Die Zulassungsverfahren für neue Produkte und Dienstleistungen, neue Untersuchungs- und Behandlungsverfahren sind sehr komplex und langwierig. In manchen Bereichen stellen sich zudem Abgrenzungsschwierigkeiten, wie etwa bei der Frage, ob Innovationen aus dem Bereich der Immunonkologie noch Arzneimittel oder medizinische Verfahren sind. Von der Antwort hängen wiederum unterschiedliche Zulassungswege ab. Im Vergleich zu anderen Ländern findet zudem ein weniger intensiver Dialog mit der Zulassungsstelle statt.
Dass ein Zusatznutzen von innovativen Präparaten im Vergleich zur Standardtherapie nachgewiesen werden muss, ist richtig. Es muss dabei allerdings sichergestellt werden, dass nur Vergleichsprodukte als Referenz herangezogen werden, die tatsächlich denselben Anwendungsfall (z. B. Einsatz in der Schwangerschaft, bei bestimmten Vorerkrankungen etc.) adressieren, und nicht einfach irgendein Generikum, das ebenfalls zur Behandlung der fraglichen Krankheit eingesetzt wird. Gegenwärtig geschieht dies bei der Nutzenbewertung neuer Produkte allzu oft, mit dem Ziel, einen niedrigen Preis durchsetzen zu können. 70 Prozent beziehen sich auf die Vergleichstherapie mit Generika, die in der Regel bei etwa 20 Euro liegen und somit keinen Erfinderlohn mehr berücksichtigen können. Bei einem Zusatznutzen ist das allerdings nicht zu rechtfertigen. Im Ergebnis kann das dazu führen, dass wegen der unüberbrückbaren Preisdifferenz zum Generikum keine Einigung zustande kommt. Die Konsequenz ist, dass neu entwickelte Produkte entweder gar nicht auf den Markt gebracht oder wieder vom Markt genommen werden. Im Ergebnis entstehen bei uns Lieferengpässe für das speziellere Präparat, und die Krankenkassen greifen im Einzelfall zum Import aus Nachbarstaaten. Ein Lösungsansatz wäre, nach Patientengruppen differenzierte Preise zu vereinbaren, um den Zusatznutzen für diese Gruppen auch preislich abzubilden.
Problematisch ist auch, dass die deutsche Methode der Nutzenbewertung weltweit einzigartig ist. 80 Prozent der Anträge scheitern aus formalen Gründen, etwa wegen der Patientenauswahl bei den Tests. Die Folgen bleiben nicht auf den Standort Deutschland beschränkt: Viele Länder machen ihre nationale Zulassung wiederum von einem Vertrieb im Produktionsland abhängig.
Wir müssen neue Wege für eine schnellere, transparentere und international gängige Abwicklung der Zulassungsverfahren finden.
Nutzenbewertung und Preisverhandlung müssen dabei voneinander getrennt werden: Heute ist bei den Erstattungspreisen für Innovationen mit nachgewiesenem Zusatznutzen der GKV-Spitzenverband Spieler, Schiedsrichter und Regelgeber in einem. Die Preisfestsetzung findet notfalls durch eine Schiedsstelle statt, ein „free pricing“ ist im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente nicht vorgesehen. Eine Klagemöglichkeit des Herstellers gibt es erst gegen den Schiedsspruch. Eine denkbare Lösung ist es, zwei verschiedenen Stellen die Zuständigkeit zu übertragen, einfacher umsetzbar dürfte es aber sein, nach erfolgreicher Nutzenbewertung auch eine freie Preisfestlegung als Option vorzusehen.